Herrschaft des Tio in Syrakus. — Tod des Tio. 363
Einflüsterungen der Demagogen bei dem Volke wieder im Gange sein
würden, begegnete Dio mit dem Einwände: nachdem er lange Zeit sich
in der Akademie im Kampfe mit allen feindlichen Gemütsregungen geübt,
könne er dies nur durch Versöhnlichkeit gegen solche beweisen, die sich
wider ihn vergangen hätten, und verzieh den Schuldigen; gleichwohl war
er nach einiger Zeit genötigt denselben Heraklides, der immer wieder bos¬
hafte Plane gegen ijpt schmiedete, preiszugeben. Nunmehr war Tio ernst¬
lich darauf bedacht, der Stadt eilte Verfassung zu geben, welche einen
kräftigen Damm gegen Tyrannei und Mißbrauch der Volksgewalt bilden
und, um die höheren Zwecke des Staatsverbands zu erreichen, nach Platos
Lehre aus königlicher und demokratischer Gewalt zusammengesetzt der alten
spartanischen Einrichtung sich annähern sollte. Wie er in diesen Bestre¬
bungen die Vorschriften seines Meisters befolgte, so bewies auch fein Leben,
da er jetzt der gewaltigste Mann in Syrakus war und den Sieg über
alle Feinde zu jeder Art von Genuß benützen konnte, durchweg und in
allen Stücken, daß die Philosophie ihm Sache des Herzens geworden war
und seinen ganzen Sinn durchdrungen hatte. So gemäßigt, friedlich,
freundlich, so bescheiden und nüchtern zeigte er sich im Verkehr mit allen
Menschen und in seinem täglichen Leben nud Waudel. Auch ermahnte
ihn Plato zu solchem Thun: wir müssen, schrieb ihm der Philosoph, uns
als Leute finden lassen, die wirklich das sind, was sie zu sein behaupten.
Die ganze Welt hat jetzt ihre Blicke ans diesen einen Ort, ans Syrakus,
gerichtet und in Syrakus am allermeisten aus dich: mit diesem Gedanken
mache dich denn auf, ein Lyknrgus oder ein Cyrus für dein Volk zn
werden!
Mitten in diesen Bestrebungen wurde Tio von einem Athener Kal-
lippus, der sich in sein Vertrauen eingeschlichen hatte unb bei neuen
Verwirrungen in der Stadt zu Ansehen und Macht zu gelangen hoffte,
durch gedungene Mörder ums Leben gebracht.