Die Werbungen um Agariste von Sicyon.
51
lebten sie allein auf seine Kosten, und zwar aufs stattlichste. Unter allen
Freiern gefielen die zwei von Athen gekommenen, Hippoklides und Me-
gakles, letzterer ein Sohn des durch seinen Reichtum berühmten Alkrnäon,
dem Tyrannen von Sicyon am allermeisten, unter diesen beiden aber be¬
sonders Hippoklides, teils wegen seines vornehmen Geschlechts teils auch
wegen seines kräftigen Wesens. Als nun der Tag da war, an dem die
Entscheidung gegeben werden und unmittelbar anf dieselbe die Hochzeit¬
feier folgen sollte, opferte Klisthenes hundert Stiere und gab nicht nur
den Freiern, sondern auch allen Männern von Sicyon einen Schmaus.
Nachdem man gespeist hatte, begannen die dreizehn Freier in der Ton¬
kunst und in freier Rede ans dem Stegreif über einen gegebenen Stoff
sich nacheinander zu zeigen und jeder wollte darin es dem andern zuvor¬
thun. Indessen trank man zugleich; und Hippoklides, dem lange keiner
seiner Nebenbuhler vorauskommen konnte, befahl einem Flötenspieler auf¬
zuspielen. Denn jetzt gedachte er sich auch im Tanze zu zeigen. Und
wirklich gelang ihm der Tanz so, daß er mit sich ganz zufrieden war.
Aber Klisthenes sah sein ganzes Beginnen mit scheelen Augen an. Doch
das merkte Hippoklides so wenig, daß er nach einiger Ruhe sich einen
Tisch herbringen ließ, anf denselben stieg und so auf dem Tische teils
spartanische, teils attische Tänze aufführte, ja am Ende sich anf den Kopf
stellte und die Beine in die Luft streckte. Klisthenes, schon durch sein
Tanzen mit Abneigung gegen einen solchen Tochtermann erfüllt, wollte
anfangs seiner Empfindung Gewalt anthun und hielt an sich. Als jener
aber auf dem Kopfe stehend seine Beine in die Luft warf, konnte er nicht
mehr schweigen, sondern sprach: „Du, Sohn Tisanders," — so hieß der
Vater des jungen Mannes — „du hast die Eheverbiuduug vertanzt." „Macht
nichts für Hippoklides" erwiderte dieser. Jetzt ließ Klisthenes Stille ge¬
bieten und sagte: Ihr Freier meiner Tochter, ihr seid mir alle ehrenwert
und, wenn es möglich wäre, möchte ich euch allen zu Willen sein, daß ich kei¬
nem einzelnen den Vorzug gäbe und ebeudamit den anderen nicht absagte.
Alvi' da» ist ja nicht möglich, daß man allen gefällig ist, wo nnr eine
einzige Jungfrau da i)t. Und so gebe ich jedem von euch, der sie nicht
bekommt, ein -latent Silber — nahe an 4300 Mark — zum Geschenke
dafür, daß er meine Tochter zur Ehe gewollt und dem zu liebe auf so
lange Haus und Hof verlassen hat; aber dem Megakles, dem Sohne des
Alkmäon, gebe ich meine Tochter Agariste zur Gemahlin. Alkmäon,
der Vater des Megakles, nahm die Verbindung an: und so entstand
ein Ehebündnis, welches in das Haus der Alkmäoniden neuen Glanz brachte.