Full text: Bilder aus der vaterländischen Geschichte

Gortschakoff herbeieilenden Kolonne. Ein Kürassierregiment trabte sofort 
zum Angriff vor, an seinem rechten Flügel von dem Könige, dem Kron¬ 
prinzen und dem Prinzen Wilhelm begleitet. Doch es blieb der Kavallerie¬ 
angriff in dem schwierigen Gelände der Weinberge ohne Erfolg. Der 
König befand sich hier mit den Prinzen einige Zeit in so heftigem Gewehr¬ 
feuer, daß der Oberst von Thiele ihn beschwor, sich nicht unnütz einer 
Gefahr auszusetzen. 
Die Kavallerie ging zurück, aber inzwischen hatten sich die Jäger¬ 
bataillone von neuem gesammelt und rückten mit dem Infanterieregiment 
Kaluga gegen den Feind vor. Der König beobachtete von einem etwas 
rückwärts gelegenen Punkte aus den Angriff der Infanterie und bemerkte, 
wie ein Infanterieregiment unter schweren Verlusten kämpfte. Plötzlich 
sagte er zu seinem Sohne Wilhelm: „Reite einmal zurück und erkundige 
dich, was das für ein Regiment ist, dem die vielen Verwundeten ange¬ 
hören." Ohne sich einen Augenblick zu besinnen, gab der Prinz seinem 
Pferde die Sporen und sprengte zu den kämpfenden Bataillonen an die 
Weinberge vor, von wo ihm die Verwundeten eben jenes Regiments Kaluga 
entgegenkamen. Er erschien mitten im heftigsten Gewehrfeuer und zog in 
der größten Ruhe die von seinem Vater ihm aufgetragenen Erkundigungen 
ein, um diesem dann über den Stand der Dinge zu berichten. Der König 
sagte kein Wort; Oberst von Luck drückte dem Prinzen herzlich die Hand, 
während die Umgebung des Königs mit Stolz auf den Prinzen sah, der 
gar nicht zu wissen schien, in welcher Gefahr er sich befunden hatte. 
Der Vorgang wurde im Hauptquartier viel erzählt, und Kaiser Alexander 
von Rußland, welcher erfuhr, daß der Prinz den Angriff jenes Kürassier- 
regiments mitgemacht und sich späterhin bei der russischen Infanterie im 
Feuer befunden habe, verlieh ihm am 5. März den Sankt Georgsorden. 
Dieser ersten kriegerischen Auszeichnung folgte am 10. März, dem Geburts¬ 
tage der unvergeßlichen Königin Luise, die Verleihung des Eisernen Kreuzes. 
Erst durch diese beiden rasch aus einander folgenden Auszeichnungen wurde 
der Prinz darauf aufmerksam, daß man seinem tapferen Verhalten, das 
ihm ganz selbstverständlich erschienen war, eine besondere Bedeutung bei¬ 
legte. „Nun verstehe ich erst," sagte er, „warum mir der Oberst von Luck 
so herzlich die Hand drückte und die andern so vielsagend lächelten." 
3. Sedan. 
Durch den Tod König Friedrich Wilhelm IV., welcher kinderlos war, 
wurde dessen jüngerer Bruder, der als künftiger Thronerbe schon den Titel 
„Prinz von Preußen" geführt hatte, im Jahre 1861 auf den preußischen 
Königsthron erhoben. 
Zu der Zeit regierte in Frankreich wiederum ein Kaiser Napoleon, 
der große Neffe jenes Napoleon, der in der früheren Zeit Preußen so tief 
gedemütigt hatte. Um sich in seiner Herrschaft zu erhalten und zu be-
	        
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