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benutzten Acker und Weide gemeinsam und zogen zusammen in den Kampf. Das
Oberhaupt der Sippe übte unumschränkte Gewalt über ihre Angehörigen. Etwa
100 Krieger mit ihren Familien bildeten die Hundertschaft, an deren Spitze
ein Fürst (Häuptling) stand. Mehrere Hundertschaften schlossen sich zu einer
Völkerschaft zusammen. Die Ostgermanen standen unter Königen; bei den
Westgermanen wählte die Volksgemeinde in Kriegszeiten einen Herzog als
Anführer.
3. Wirtschaft. Die Germanen führten eine Art Nomadenleben. Lang¬
sam — fast unmerklich — zogen sie im Laufe zweier Jahrtausende von Osten
nach Westen. In den Talgründen weideten sie das Vieh; mit dem Speer durch¬
streiften sie den Urwald nach Jagdbeute. Ter Ackerbau war noch wenig ent¬
wickelt. Em Stück Land wurde bestellt und abgeerntet und blieb dann einige
Jahre als Weide liegen (Feldgraswirtschaft). In der Regel wählte sich eine
Sippe ein Stück Land zur gemeinsamen Bewirtschaftung aus. Die Feld¬
mark teilte man nach der Güte des Bodens in verschiedene Felder. Ein jedes
Fe d zerlegte man wiederum in so viel vom Wege ablaufende Streifen, als
Familien im Dorfe vorhanden waren. Dann wurden die Streifen jährlich ver¬
lost, und so erhielt ein jeder seinen Anteil vom guten und schlechten, vom nahen
und fernen Acker. Ein Stück Land, das man mit einem Gespanne in einem
Tage umpflügen konnte, nannte man ein Tagewerk oder einen Morgen. Zu
jedem Hofe gehörten etwa 30 Morgen, diese bildeten zusammen eine Hufe.
Wald und Weide waren gemeinsames Eigentum und kamen nicht zur Ver¬
teilung.
4. Volksversammlung. Die höchste Gewalt hatte die Volksversammlung,
die beim Voll- oder Neumonde auf der „Mahlstätte" unter einer Eiche oder bei
einem Steine abgehalten wurde. Sie entschied über Krieg und Frieden, wählte
den Herzog, sprach die jungen Männer wehrhaft und strafte die Verbrecher.
Nur die Freien durften an dieser Versammlung teilnehmen. Den Beifall gab
man durch Klirren mit den Waffen kund, Mißfallen durch dumpfes Gemurmel.
5. Rechtspflege. Die Volksversammlung griff nur dann von selbst ein, wenn
ein Verbrechen gegen das Volk oder die Gottheit begangen war. Verrat,
Fahnenflucht und Heiligtumsschändung wurden mit dem Tode bestraft. War
das Verbrechen gegen einen einzelnen gerichtet, so wurde es entweder, durch die
Blutrache oder durch eine Buße gesühnt. An dem Mörder oder Entführer
Blutrache zu üben, sahen d e Verwandten als heilige Pflicht an. Mit geringen
Vergehen befaßte sich die Volksversammlung nur, wenn sie angerufen wurde.
Der Kläger lud den Beklagten vor Gericht. Hier fragte er ihn, und der An¬
geklagte mußte ihm auf jede Frage antworten. Das Gericht stellte die Schuld
fest und bestimmte die Strafe. Hernach war es Sache des Klägers, das Urteil
zu vollstrecken.
6. Kriegführung. Zogen mehrere Gaue gemeinsam in den Krieg, so wurde
der Tapferste und Angesehenste auf einen Schild erhoben und zum Anführer
gewählt. Man nannte ihn Herzog, weil er vor dem Heere herzog. Die Haupt¬
waffen der Deutschen waren Streitäxte aus Steiu, ein- und zweischneidige
Schwerter, Schilde mit eisernem Rand und Buckel und Pfrieme (Sp.eße
mit scharfer Elsenspitze). Als Helme dienten die Felle wilder Tiere. Rachen