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das Recht des armen Mannes. Einmal g'aitbte er, die Richter hätten in einem
Streit, den ein Müller mit einem Grafen hatte, dem armen Manne unrecht
getan. Er bestrafte die Richter und sagte: „Ein Gericht, das Ungerechtigkeit
ausübt, ist gefährlicher und schlimmer als eine Diebesbande. Der geringste
Bauer, ja der Bettler ist ebensowohl ein Mensch wie Se. Majestät, und bor
dem Gerichte sind alle Menschen gleich, es mag sein ein Prinz, der wider einen
Bauern klagt, oder auch umgekehrt."
Schon am dritten Tage seiner Regierung verbot Friedrich die Anwendung
der grausamen Folter. Gegen Ende seiner Regierung lüß er ein Gesetzbuch,
das „Allgemeine Landrecht für die preußischen Staaten", ausarbeiten.
Es ist hundert Jahre gültig gewesen.
10. Die Volksschule. Wie sein Vorgänger sorgte Friedrich auch für die
Volksbildung in seinem Lande. Aber der Staat hatte damals noch wenig Geld
für diesen Zweck übrig. Selbst in den Städten wuchsen viele Kinder ohne Schul¬
bildung auf. Erst recht jämmerlich sah es in den Dorfschulen aus. Es fehlte an
ordentlichen Schulhäusern, und als Lehrer wurden Handwerker, gewesene Be¬
diente und invalide Unteroffiziere angestellt, Leute, die zuweilen selber kaum
schreiben oder lesen konnten. In Berlin 'war mit einer Realschule ein Lehrer¬
seminar verbunden worden. Nach diesem Muster gründete der König einige
Seminare für Landlehrer. 1763 wurde ein General-Landfchulreglement 1763
erlassen, das die allgemeine Schulpflicht einschärfte, einen Unterrichtsplan vor¬
schrieb und den Unterhalt der Lehrer regelte.
11. Friedrichs Persönlichkeit und Lebensweise. Der große König war von
Gestalt nur klein, im Alter etwas gekrümmt. Aber das Feuer seiner großen
Adleraugen verriet auch da noch feinen großen Geist.
Bald nach Beendigung des zweiten Schlesischen Krieges ließ er sich nahe
bei Potsdam das Lustschloß Sanssouci bauen. Dort verbrachte er den größten
Teil bes Jahres, jeben Tag in streng geregelter Tätigkeit. „Der König,"
sagte er, „ist ber erste Diener seines Staates." Im Sommer staub er schon
um 3 Uhr, selten nach 4 Uhr auf. Vor Tisch ritt er gewöhnlich aus, immer im
Trab ober Galopp. Bei großer Kälte ging er auch wohl zu Fuß; aber sowohl
beim Reiten als beim Gehen trug er einen Krückstock unb war in ber Regel
von 3 bis 4 Winbspielen, seinen Lieblingen, begleitet. — Schlag 12 Uhr würbe
bas Mittagessen aufgetragen. Die Unterhaltung bei Tische war meist sehr leb¬
haft. Gegen Abenb veranstaltete ber König gewöhnlich ein Konzert in feinem
Schlosse; babei spielte er bann bie Flöte. Erst um Mitternacht ging er zu
Bett. Alljährlich im Mai machte ber König Reisen burch sein Laub, musterte
bie Truppen unb sah nach, ob alle seine Beamten ihr'e Schuftigkeit taten.
Auf ber Reife hatte jebermann Zutritt zu ihm unb burfte ihm seine Bitte
ober Klage vortragen.
Er war für bas Volk eine ehrfurchtgebietenbe unb doch vertraute Persön¬
lichkeit. Gewöhnlich nannte man ihn ben „alten Fritz". Ein Augenzeuge schil-
bert, wie er, von einer Truppenbesichtigung heimkehrenb, bei seinem Ritt burch
bie Straßen von einer jubeli ben Menge begleitet wirb, bis er vor bem Schlosse
vom Pfe:be steigt. Tann stehen bie Leute noch lange schmeigenb, bie Mütze in
ber Hand, und schauen aus die Tür, hinter der er verschwunden ist. „Unb boch
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