Full text: Geschichte der neueren Zeit (Teil 3)

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Die Kämpfe der Gegenreformation. 
2. Philipp II., ein kleiner, blonder, hübscher Herr, war viel¬ 
leicht der kenntnisreichste und fleißigste Mann seines Reiches; er nannte 
sein Königsamt das mühevollste von allen; selbst auf Spazier¬ 
fahrten las er in den Papieren, die seinen Wagen füllten. Die 
einzige Erholung bot ihm sein Lustschloß Aranjuez am Tajo mit seinen 
schattigen Gärten oder sein Klosterpalast Escorial, in dem er auch die 
Reste seines Vaters beisetzen ließ. 
* *In einsamem Gebirgstal hatte er ihn mit ungeheuern Kosten 
erbaut: Schloß, Kirche und Kloster bildeten die Form eines Rostes; 
so hatte er es am Laurentiustage (10. August) während einer Schlacht, 
worin der niederländische Graf Egmont die Franzosen schlug, dem 
Tagesheiligen gelobt, der lebend gebraten worden war. Auch hier 
umgab er sich mit der strengen Hofsitte (Etikette), die bald an allen 
Höfen Eingang fand; die spanische Kleidung verdrängte die burgun- 
dische Mode. 
Der Escorial enthält jetzt eine kostbare Sammlung italienischer 
D und spanischer Gemälde: von Tizian, Murillo, Velasquez.D 
Dort lebte und wirkte Philipp als ein unnahbarer, einsilbiger 
Herr, der selbst seinen treuesten Dienern mißtraute. 
3. Er war die Seele der „Gegenreformation". 
Ec versäumte keine Messe, keine Prozession und war mit den 
Jesuiten eifrig bemüht, ,,die Kirche zu schirmen und ihre Widersacher 
zu Züchtigen"; den katholischen Glauben rein zu erhalten, erschien ihm 
als seine höchste Königspflicht. 
Ohne Ansehen der Person verurteilte seine Inquisition die 
„Abtrünnigen", und das königliche Gericht verbrannte sie in feier¬ 
licher „Glaubenshandlung" (Auto de fe): man berechnete die Zahl 
der Opfer der Inquisition in den ersten sieben Jahren seiner Regierung 
auf 36000. Einem Vornehmen, der zum Tode geführt wurde, rief 
er zu: „Zum Scheiterhaufen meines eigenen Sohnes würde ich Holz 
tragen, wenn er ein arger Ketzer wäre wie du!" 
* *Die spanische Inquisition bestand als Staatseinrichtung schon 
unter Ferdinand und Isabella. Ihre Opfer fand sie in allen 
Ständen; unter den Geistlichen, bis zu den höchsten Kirchenfürsten, 
waren viele übergetretene Juden und Mauren, die immer verdächtig 
blieben. Die herrlichste Dichtung der spanischen Literatur, der Don 
Ouijote des Cervantes, die noch in König Philipps Tagen be- 
□ gönnen wurde, weiß auch davon zu erzählen. □
	        
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