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er endlich Jerusalem eingeschlossen hatte, bestieg er den Kaiserthron. Nun
führte sein Sohn Titus den Krieg weiter. Nach langem, schwerem Kampfe
nahm er Jerusalem ein. Der Tempel Salomos ging dabei in Flammen auf,
obgleich Titus ihn gern geschont hätte. Die Stadt wurde zerstört, und damit
hörte das Reich der Juden als solches auf. Über 1 Million Menschen waren
in dem Kriege umgekommen, etwa 100 000 wurden als Sklaven verkauft, aber
noch viel mehr wanderten aus, die Juden blieben fortan zerstreut über alle
Länder. Ein sehr bedeutender Aufstand erhob sich unter Vespasian an den
Küsten der Ostsee. Dort empörten sich die Bataver unter ihrem Fürsten
Civilis und schlossen einen Bund mit den Friesen, sowie mit anderen nord¬
deutschen Völkern, ja sie zogen sogar die Gallier in den Krieg hinein und ge¬
wannen die Städte Xanten, Köln nnd Trier. In ihren Hoffnungen bestärkte
sie eine Weissagerin im Lande der Brnkterer, Veleda, die von ihren fürst¬
lichen Verwandten in einem Turme gefangen gehalten nnd bei wichtigen Unter¬
nehmungen befragt wurde. Sie fagte z. B. die Einnahme Xantenv nnd Kölns
voraus, auch hatte sie Einfluß aus die Entschließung des Feldherrn. Erst als
Vespasianns ein großes Heer unter ein.m bewährten Anführer dahin sandte,
wurde Trier wieder genommen, der große Bataverbund lockerte fich, und dies
führte zu Streitigkeiten unter den Mitgliedern, die Civilis felbst gefährlich zu
werden drohten. Dieser machte daher mit Rom Frieden, worauf der Aufstand
erlosch. Nun schloß Vespasian den Janustempel und widmete sich ganz den
friedlichen Aufgaben. Alle Einrichtungen, die er traf, zeigen von tiefer staats-
männischer Weisheit, er selbst gab durch eine einfache, sittenstrenge Lebensweise
dem entarteten Volke ein gutes Beispiel, und um die Provinzen mit Rom ganz
zu verschmelzen, nahm er eine größere Zahl fähiger Provinzialen in den Senat auf.
Gegen Ende feines Lebens sandte er den Feldherrn Agricola nach Britannien, dieser
vollendete die Eroberung des Jnsellandes und romanisierte es mit großem Geschick.
Auf Vespasian folgte fein Sohn Titus, „die Liebe und Wonne des
Menschengeschlechtes", wie ihn das Volk nannte, er regierte zwei Jahre (79 bis
81). Damals geschah es (79), daß die Städte Herculannm, Pompeji
und Stabiä vom Aschenregen des Vesuv verschüttet wurden. Wo vorher
eine fruchtbare, reichbebaute Gegend gewesen war, sah man nur noch Aschen¬
berge, und Jahrhunderte lang flohen die Menschen die traurige Wüstenei, bis
sich endlich die Hügel mit Pflanzen bedeckten und wieder Ansiedler herbei¬
lockten. Aber die Kunde von den verschütteten Städten war verschollen, niemand
suchte sie. Man baute aus der Asche neue Städte und ahnte nicht, was in der
Tiefe ruhte. Im Jahr 1711 entdeckte man beim Graben eines Brunnens
Herculannm, später Pompeji und begann die versunkene Welt auszugraben.
Da fand man alles, selbst die Bilder auf den Wänden, in bestem Zustande,
denn die trockene Asche hatte es wohl bewahrt; tausende von Gerippen in
den verschiedensten Gruppen und Stellungen zeigten, wie sehr die unglücklichen
Einwohner von dem schrecklichen Naturereignisse überrascht wurden. Um die¬
selbe Zeit wütete die Pest in Rom. Titus half, wo er helfen konnte, denn
Freigebigkeit war ein Grnndzng seines Charakters. Auch bei den Gladiatoren¬
spielen, Schiffskämpfen und anderen festlichen Unterhaltungen grenzte seine Lust
zu geben an Verschwendung. Dagegen war sein Bruder Domitian, der
von 81—96 regierte, ein grausamer Tyrann, dessen Hauptsorge die Majestäts¬
prozesse und die Beraubung der Reichen zu sein schien.
Psalz, Weltgeschichte. 19