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waltung gelang ihm die Regelung des Heerwesens. Seine eigene Macht stützte
sich auf die Anhänglichkeit der Heere, diese mußte fort und fort durch hohen Sold
und viele Nachgiebigkeit erkauft werden. Aber die Zucht und Kriegstüchtigkeit
verfielen immer mehr, die Römer entzogen sich dem Dienste wie sie konnten,
lieber verstümmelten sie sich, als daß sie sich in das Heer einstellen ließen.
Darum mußten die Legionen regelmäßig durch Söldner, besonders germanische
und slavische, ergänzt werden. Als die Goten sich wieder feindlicher zeigten,
blieb ihm nichts übrig als 300 000 auf das linke Donauufer herüberzunehmen.
Nur dadurch erkaufte er den Frieden. Eine Hauptstütze fand Konstantin im
Christentume, das er zur Staatsreligion erhob. Unter den Christen selbst waren
bereits Streitigkeiten ausgebrochen, die zu Spaltungen zu führen drohten. Be¬
sonders wichen die Ansichten über die Person Christi von einander ab. In
Alexandrien, dem Hauptsitze der damaligen Gelehrsamkeit, brach darüber ein
ernstlicher Kampf aus. Der Presbyter Artus lehrte, daß der Sohn Gottes
zwar göttlich, aber vom Vater geschaffen sei, der Patriarch dagegen und der
Diakonus Athanasius verteidigten die Wesensgleichheit des Sohnes mit Gott.
Das Konzil zu Nicäa 325 entschied gegen Arins und setzte das athanasianische
Glaubensbekenntnis sest. Konstantin starb, nachdem er sich erst kurz vorher
hatte taufen lassen, im Jahr 337. Das erstarrende Heidentum fand einige
Jahrzehnte später einen letzten Vorkämpfer in dem Kaiser Julian, der
deshalb der Abtrünnige heißt. Er war es auch, der den immer stärker an¬
schwellenden Strom der germanischen Völkerflut noch einmal zurückdämmte. So
schlug er (vor seiner Thronbesteigung, im Jahre 357) die Alamannen, die sich
im Elsaß festgesetzt hatten, in einer großen Schlacht bei Straßburg. Noch
einmal kämpften die nackten germanischen Recken den Kampf der Verzweiflung
gegen die geharnischten Römer. Sie wichen nicht, bis Berge von Leichen der
Ihrigen sich vor ihnen auftürmten. Verfolgt von den Römern gingen sie über
den Rhein zurück. Aber durch erbarmungsloses Niedermetzeln der Gefangenen
entflammte er den Rachedurst der freien germanischen Männer nur noch mehr
und bereitete künftige Kämpfe vor. Was half es ihm, daß er die römischen
Festungen selbst auf der rechten Rheinseite wieder herstellte, immer neue Helden¬
scharen ergossen sich aus den deutschen Wäldern, überstiegen die Wälle und
drangen endlich bis in das Innere Galliens vor. Den Franken mußte er schon
ganze Strecken Landes im Nordosten Galliens einräumen, er entschädigte sich
damit, daß er Tausende ihrer tapfersten Söhne in fein Heer aufnahm. Sein
Kampf gegen das Christentum ward hervorgerufen durch seine Vorliebe für die
Götterlehre der Griechen. Als er im Jahr 361 Kaiser geworden war, ver¬
folgte er die Christen, aber nicht mit Folter und Hinrichtung, sondern mit
Spott. Er selbst verrichtete noch einmal den Dienst eines römischen Ober¬
priesters, umgab sich mit einem heidnischen Senate, aber alles war vergeblich.
Er verkannte seine Zeit und die Macht des Christentums. Als er im Jahre 363
aus einem Zuge gegen die Perser fiel, soll er ausgerufen haben: „Du hast ge¬
siegt, Nazarener!" Das Römerreich sank bald nach ihm in Trümmer, Christen¬
tum und Germanentum waren die Mächte, welche aus den Ruinen eine neue
Welt erbauten, aber Rom blieb bestehen und übertrug mit unverwüstlicher
Lebenszähigkeit seine Anschauungen auch aus die folgende Zeit.