192 Bäuerliche Zustände im Reformationszeitalter.
Ein zweiter Teil berührt die Rechtsverhältnisse, besonders das Gerichts¬
verfahren nach dem neuen römischen Rechte und rügt die hohen Strafen.
Er findet sich im neunten Artikel und lautet: „Wir sind beschwert der großen
Frevel halb, indem man stets neue Aussätze macht, nicht daß man uns
strast nach Gestalt der Sache, sondern zu Zeiten aus großer parteilicher
Begünstigung anderer. Unsere Meinung ist uns nach alter geschriebener
Stras zu strafen, je nachdem die Sache gehandelt ist, und nicht parteiisch."
Ein dritter Teil bespricht die Stellung der Bauern uud ihre Abgaben
in drei besonderen Artikeln, nämlich: „Zum dritten ist es Brauch hier ge¬
wesen, daß man uns für Eigenleute gehalten hat, welches zum Erbarmen
ist. Darum findet sich in der Schrift, daß wir frei sind, und wir wollen
frei sein. Nicht daß wir gar frei sein, keine Obrigkeit haben wollen, nichts
destoweniger den rechten Kornzehnt geben, doch wie es sich gebühret. Ge¬
bührt er einem Psarrer, der klar das Wort Gottes verkündet, so sind wir
willens, es sollen hinsür diesen Zehnt unsere Kirchenpröbste, welche dann
eine Gemeinde setzt, einsammeln und einnehmen. Fände es sich, daß eines
oder mehr Dörfer wären, welche den Zehnten selbst verkauft hätten, etlicher
Not halber, soll der, welcher von selbigem zeigt, daß er ihn in der Gestalt
von einem Dorfe hat, solches nicht entgelten, sondern wir wollen ihm solches
mit ziemlichem Ziel und Zeit ablösen. Aber wer von keinem Dorfe solches
erkauft hat und dessen Vorfahren sich selbst solches zugeeignet haben, denen
wollen oder sollen wir nichts weiter geben. Ob Geistlichen oder Welt¬
lichen, den kleinen Zehnt wollen wir gar nicht geben. Wir wollen den
Brauch, genannt den Todsall, ganz und gar abgethan haben, nimmer
leiden, noch gestatten, daß man Witwen und Waisen das Ihrige wider
Gott und Ehren, also schändlich nehmen und sie berauben soll, wie es an
vielen Orten in mancherlei Gestalt geschehen ist."
Ein vierter_ Teil fordert Wild, Wasser und Holz als Gemeingut; es
heißt da: „Es ist bisher der Brauch gewesen, daß kein armer Mann Ge¬
walt gehabt hat, das Wildbret, Geflügel und Fische im fließenden Wasser
zu sangen. Auch hegt in etlichen Orten die Obrigkeit das Wild uns zum
Trotz und mächtigen Schaden, weil wir leiden müssen, daß uns das Un¬
sere, was Gott dem Menschen zu Nutz hat wachsen lassen, die unvernünf¬
tigen Tiere zu Unnütz verfressen. Wir sind auch beschwert der Beholzung
halb, denn unsere Herrschaften haben sich die Hölzer alle allein zugeeignet,
und wenn der arme Mann etwas bedarf, muß er ums doppelte Geld kau¬
fen. Unsere Meinung ist, was für Hölzer Geistliche oder Weltliche, die
sie inne haben, nicht erkauft haben, die sollen einer ganzen Gemeinde wieder
anheimfallen, und einem jeglichen ans der Gemeinde soll ziemlicher Weise
frei sein, daraus seine Notdurft umsonst ins Haus zu nehmen. Wenn aber
einer das Gut anfangs sich selbst zugeeignet uud es nachmals verkauft
hätte, so soll man sich mit den Käufern vergleichen." Auch Jagd und
Fischerei sollten, wo keine Rechtstitel bestanden, der betreffenden Gemeinde
zustehen.