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mit ihren weißen Schaummähnen über die Schutzwehr
in das Land hinein, lüstern nach der Beute, die ihnen
doch verwehrt war. Schwer und niedrig hingen die
Regenwolken vom Himmel herab, und durch das Heulen
des Sturmes und das Brausen der brandenden Wogen
hörte man nur zuweilen den schrillen Schrei der Möve
oder das Krächzen der Nebelkrähe, die vergebens versuchten,
gegen den Sturm anzukämpfen.
Auf der hochgelegenen Straße, die von Heide über
Hemmingstedt nach Meldorf führt, sprengte in der Dunkel¬
heit ein einsamer Reiter mit verhängtem Zügel dahin.
Von dem weißen Fell des starken Pferdes, das unter seiner
Last keuchte, troffen die Schaumflocken, und der Reiter,
dessen langer gelber Bart im Sturmwind flatterte, war
blaß wie der Tod. Die Leute, die in ihren Häusern
den Hufschlag des Pferdes hörten und neugierig ans
Fenster eilten, traten erschrocken zurück, wenn sie Roß
und Reiter erblickten; sich bekreuzend verkrochen sie sich
im finstersten Winkel, denn sie glaubten den gespenstischen
Schimmelreiter zu sehen, der, wie der Volksmund er¬
zählt, von Zeit zu Zeit durch die Marsch reitet, als Vor¬
bote eines nahenden Unglücks.
Ja, ein Unglücksbote war es freilich, der an diesem
Oktoberabende einsam dahinsprengte, wenn es auch nicht
der Schimmelreiter war. Es war Wiben Peter, dem die
Bleßsche Erbschaftsangelegenheit in der That nichts als
Aerger und Verdruß gebracht hatte, wie sein Weib es
vorhergeahnt. Als er die Sache vor die Schlüter seines
Kirchspiels brachte, um von ihnen sein Recht zu heischen,
wurde er auf Betreiben seines alten Gegners Reimer
Kock von diesen abgewiesen. Das Testament der Ehefrau
Bleß, so urteilten die Schlüter, sei ungiltig, weil sie
die Absicht ausgesprochen habe, dasselbe zurückzuziehen;
und nach Artikel 29 des Landrechtes genüge die münd¬
liche Erklärung, um ein bereits vorhandenes Testament
umzustoßen. Das war nun zwar richtig, aber die Schlüter
vergaßen dabei, daß diese mündliche Erklärung vor min¬
destens zwei Zeugen abgegeben werden mußte, was nicht