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Rechten des Kaisers saß sein Bruder Ferdinand, zur
Linken der päpstliche Nuntius Aleander. Zu beiden
Seiten in langer Reihe folgten 6 Kurfürsten, 24 Herzoge,
8 Markgrafen, 30 Erzbischöfe, Bischöfe und Prälaten,
77 Gesandte der Reichsstädte, 7 fremde Gesandte und
eine große Zahl von Fürsten, Grafen und Herren, im
ganzen über 200 Personen. Aller Augen waren auf den
Mann gerichtet, der nun zur Thür hineingeführt wurde,
angethan mit der groben Mönchskleidung, bleich vor
Aufregung und mit großen Schweißperlen vor der Stirn.
Welch ein Gegensatz! Dort der mächtige Kaiser, in dessen
Reich die Sonne niemals unterging, dessen Wort Leben
und Tod zu bringen vermochte; und hier der arme, ver¬
achtete Mönch, dem nicht einmal das Kleid zu eigen
gehörte, das er trug! Dort der Kaiser, auf dessen Wink
Tausende und aber Tausende von Kriegsleuten warteten,
seine Befehle zu vollziehen, und hier der Mönch, der
keine Wehr und Waffen hatte, außer dem Worte seines
Mundes! Aber dennoch — wer von den beiden war
der Mächtigste, der Gewaltigste?
Die glänzende Versammlung blendete den Mönch;
er war befangen, sein Herz klopfte zum Zerspringen,
seine Zunge klebte ihm am Gaumen. Im Namen des
Kaisers legte ihm der erzbischöfliche Offizial Eck aus
Trier *) die Frage vor, ob er die Bücher, die neben Eck
auf einer Bank lagen, für die seinigen anerkenne und ob
er ihren Inhalt widerrufen wolle. Luther antwortete mit
leiser Stimme, kaum den zunächst Stehenden verständlich,
die Bücher wären die seinigen; die Frage über ihren
Inhalt aber betreffe das Höchste, Gottes Wort und der
Seelen Seligkeit. Da müsse er vor einer unbedachten
Antwort sich hüten und bitte deshalb demütig noch um
eine kurze Frist zum Ueberlegen. Nach kurzer Beratung
wurde ihm eine Frist von 24 Stunden bewilligt und
gleich darauf verließ er den Saal.
Am folgenden Abend, Donnerstag, den 18. April,
*) Nicht zu verwechseln mit dem Eck aus Ingolstadt,