Full text: Die Supplingenburger (2)

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des Kaisers, zerbogen und halb geschmolzen, kaum noch 
kenntlich. Aengstlich nahte Franziskus seinen Herrn, kniete 
neben ihm nieder und weinte bitterlich. Als dieser das 
Schluchzen hörte, schlug er die Augen auf. Er erkannte 
seinen treuen Kaplan, streckte ihm die Hand entgegen und 
sprach: „Bruder Franziskus, verzeihe mir meine Härte. 
Du hast recht gehabt, ich habe es an mir selbst erfahren, 
daß Gott dem Hoffährtigen widerstrebt. Ich habe es 
fühlen müssen, daß ich in seiner Gewalt bin; wie durch 
ein Wunder bin ich, als der Blitz mich mit fürchterlicher 
Macht traf, dem Tode entronnen. O bete, bete für mich, 
daß er mir Gnade gebe!" Und zu den Umstehenden sprach 
er: „Auf, machet alles bereit, damit wir schon morgen in 
der Frühe diese Stadt und dieses Land wieder verlassen 
können. Hier ist meines Bleibens nicht länger, Gott 
selbst streitet für die Sachsen!" Mit großer Anstrengung 
hatte er diese Worte gesprochen, ermattet schloß er wieder 
Die Augen; auf einen Wink des Priesters trugen Diener 
den Kaiser aus ein Ruhebett, wo er bald in einen er¬ 
quickenden Schlaf fiel. Franziskus wich nicht von seinem 
Lager, trotzdem er selbst zum Tode matt war. Am an¬ 
dern Morgen aber hatte er die Freude, seinen Herrn 
neugestärkt erwachen zu sehen; der Blitzstrahl schien ihn 
nicht bedeutend verletzt zu haben. 
Noch an demselben Tage zog der Kaiser mit seinem 
Gefolge wieder von Goslar fort; auf Nimmerwiederkehr 
wendete er der Burg seiner Väter und dem Sachsenlande 
den Rücken. Nach Utrecht in den Niederlanden richtete 
er seinen Weg. Auf dieser Reise aber zeigte es sich, daß 
die heftige körperliche und geistige Erschütterung dennoch 
den Keim des Todes in ihn gelegt hatte. Es war ihm 
nicht möglich, den Weg zu Pferde zurückzulegen; in einer 
Sänfte mußte er sich tragen lassen. Der früher so kräf¬ 
tige, kaum dreiuudvierzigjährige Mann war völlig ge¬ 
brochen, seitdem der Herr im Sturm und Feuer mit ihm 
geredet. Sein einziger Gedanke war, seinen Frieden mit 
Gott zu schließen, ehe er vor seinem Richterstuhle er¬ 
scheinen mußte; daher wich auch Franziskus nicht von ihm,
	        
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