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1689 lagen die morschen Gebeine ruhig in dem gemein¬
samen Grabe; der Vandalismus der rohen französischen
Mordbrenner zerstörte aber in dem genannten Jahre die
herrliche Domkirche, und nun wurden sogar die Gebeine
der Kaiser aus den Särgen gerissen und in srevelm
Uebermut umhergestreut. Jetzt ist das herrliche Gottes¬
haus wieder aus dem Schutt wiederholter Zerstörungen
erstanden, und in unserm Jahrhundert sind auch den hier
bestattet gewesenen Kaisern in der Vorhalle des Domes
Standbilder errichtet worden. Denn ohne Groll ver¬
mögen wir jetzt dieser Herrscher zu gedenken, welche im
steten Kampfe gegen ein übermächtiges Priestertum ihre
besten Kräfte verzehrten und deshalb nur zu oft ihrer
Pflicht gegen das Reich vergaßen.
Fünfzehntes Kapitel:
Lin Wiedersehen.
Sterbend hatte der letzte Salier die Reichskleinodien
dem Herzog Friedrich von Schwaben, seinem nächsten
Verwandten, übergeben, und denselben auch zum Erben
seiner sämtlichen Güter eingesetzt. Hierdurch hatte er
zugleich dem Wunsche Ausdruck gegeben, daß Friedrich
auch sein Rachfolger in der Königs- und Kaiserwürde sein
möchte. Wirklich bezeichnete auch die öffentliche Meinung
Friedrich von Schwaben als den Erben der Krone, und
er selbst zweifelte am wenigsten, daß die einhellige Wahl
der Fürsten ihn auf den Thron erheben würde.
Am Ufer des Rheinstroms, zwischen Worms und
Mainz, also auf fränkischer Erde, wie es das Herkommen
vorschrieb, versammelten sich nicht lange daraus die deut¬
schen Stämme, um einen neuen König zu küren. Ge¬
sondert lagerten dort die vier Hauptstämme, die Franken,
Sachsen, Schwaben und Bayern um die Zelte ihrer
Herzöge; neben den Zelten der Sachsen aber erhoben sich
jetzt zum ersten Male die Zelte der wendischen Völker,