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die mit mir hinausgeritten waren, getrennt, um hier an 
diesem einsamen Kreuze zu beten. Weile ich noch länger, 
so möchte mein Fehlen im Schlosse auffallen, sie kommen 
vielleicht, mich zu suchen und könnten Dich hier treffen 
Das aber darf nicht sein — um keinen Preis. Niemand 
darf es wissen und ahnen, daß wir uns kennen. Nicht 
um Deinetwillen und nicht um meinetwillen. Aber wir 
müssen uns wiedersehen; wir haben uns noch viel zu 
sagen, und meines Bleibens ist nicht lange mehr, denn 
heute habe ich den Entschluß gefaßt, ins Kloster zu gehen. 
Deshalb will ich übermorgen um dieselbe Zeit wieder 
hier sein, und ich erwarte Dich hier an dieser Stelle zur 
weiteren vertrauten Aussprache." Mit diesen Worten 
erhob sich Mechtildis und ging zu ihrem Pferde. Jan 
Östrik wollte ihr beim Aufsteigen behilflich sein; aber sie 
wies die Hilfe zurück. „Nicht doch, mein Prinz," sagte 
sie; „wie dürste ich einen solchen Dienst dulden? Mir 
käme es wohl zu, Dir Magdsdienste zu leisten!" Sie 
schwang sich in den Sattel und reichte dem Ritter die 
Hand, und dieser ergriff die dargebotene Rechte und führte 
sie an die Lippen. „Noch einmal Dank für Deine Ver¬ 
zeihung, Mechtildis!" flüsterte er; „Gott möge mit 
seinem reichsten Segen Dich dafür belohnen. Auf Wieder¬ 
sehen übermorgen an dieser Stelle!" Lange stand er und blickte 
der davonsprengenden Reiterin nach; dann wandte er sich 
wie ein Träumender wieder dem Kreuze zu, zu dessen 
Füßen er sich niedersetzte. So saß er lange, lange. Die 
Sonne ging zur Rüste, Abendnebel stiegen von den Wiesen 
an der Hase auf, aus dem Dickicht ertönte das klagende 
Lied der Nachtigall Als er endlich aufstand, um heim¬ 
wärts zu gehen, blickte er noch einmal zu dem Bilde des 
Gekreuzigten empor, um dessen Haupt das zitternde Mond- 
licht einen Strahlenkranz wob. „O gib mir ein Zeichen, 
du Allgütiger und Allwissender," sagte er, „was ich tun 
soll in meiner Not. Soll ich dieses Zusammentreffen mit 
dem Weibe meines Freundes und Mitschuldigen, der seine 
Tat mit dem schrecklichsten Tode büßte, als ein Zeichen 
ansehen, daß meines Bleibens hier nicht mehr ist, daß
	        
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