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nachgeschlichen, und von ferne, hinter einem Baume
stehend, hatte er die Wiedererkennungsszene am Kruzifix
beobachtet. Was hätte er darum gegeben, wenn er hätte
hören und verstehen können, was die beiden miteinander
besprachen! Vorsichtig auf Händen und Füßen kriechend
war es ihm gelungen, bis hinter einen Haufen Feldsteine
zu gelangen, der nur wenige Schritte von dem Kreuze
entfernt lag, und hier hatte er sich niedergekauert, ge¬
spannt auf jedes Wort lauschend. Zwar nur einzelnes
konnte er verstehen; aber dieses wenige genügte, ihm die
Gewißheit zu verschaffen, daß er in dem Ritter einen von
den Gesetzen verfolgten Mann vor sich habe. Und diese
Bekanntschaft mit der Schwester des Herrn von Schlede¬
hausen, deren Gemahl, wie dem Müller nicht unbekannt
war, wegen der Teilnahme am Kaisermorde den schreck¬
lichsten Tod erlitten hatte! Sollte er hier einem der
entkommenen Verschwörer auf der Spur sein? Dieser
Gedanke machte den Müller fast wahnwitzig vor Freude.
Freilich auf die bloße Vermutung hin konnte er noch
nichts gegen ihn unternehmen, er konnte keine Anklage
daraus bilden; darum mußte er auf alle Fälle der Sache
weiter nachforschen. Übermorgen, das hatte er verstanden,
wollten die beiden sich hier wieder treffen; wohlan, so
mußte er sie belauschen, daß ihm kein Wort von dem
entging, was sie miteinander redeten!
Während der Müller diese Pläne schmiedete, saß Jan
Ostrik allein mit seinem Weibe in dem traulichen Ge¬
mache in dem oberen Stockwerke der Burg. Die beiden
Diener waren mit dem alten Klaus noch in den Wald
gegangen, um nach den Otternfallen zu sehen, die der
Alte am Ufer des Baches aufgestellt hatte, und Frau
Jutta war in der Küche beschäftigt, die Abendsuppe zu
kochen. Der Knabe Lathonius schlief sanft in seiner
Wiege, die Händchen hielt er zur Faust geballt auf der
Bettdecke, und ein holdes Lächeln lag auf den rosigen
Wangen des Kindes. Jan schaute ihn lange an, und ein
tiefer Seufzer hob unwillkürlich seine Brust. Sollten
jetzt, nachdem er kaum zur Ruhe gekommen war, nachdem
Tiemann, Parricida. 5