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er hier in der Fremde eine Heimat gefunden hatte, aber¬
mals die Tage der Irrfahrt beginnen, unter der das
arme, unschuldige Kind am meisten zu leiden hatte?
Irmgard sah die Wolke auf der Stirn ihres Gatten,
und eine bange Ahnung sagte ihr sofort, daß etwas ge¬
schehen war, was ihm wieder, wie früher so oft, seine
Ruhe raubte. Ängstlich schmiegte sie sich an ihn, und
mit sanfter Stimme sagte sie: „Ich sehe es, mein Ge¬
liebter, daß wiederum eine schwere Sorge Dich
bedrückt. Sage mir, was ist geschehen, daß wiederum
der Geist der Unruhe über Dich kommt, den
ich gebannt glaubte, seitdem Du hier eine Zuflucht
und eine ritterliche Beschäftigung gefunden hast?'
Fest zog Jan das geliebte Weib an sich und sprach:
„Irmgard, Du viel Getreue, die Du Not und Ent¬
behrung, Armut und Elend mit mir geteilt hast auf
meiner Irrfahrt, wohl hast Du recht, daß eine neue
Sorge mein Gemüt bewegt — keine Sorge um mich,
sondern um Dich und um den Knaben. Denn was ist
am Ende an mir und meinem Leben gelegen? Aber
durch Euch hat es wieder Inhalt und Wert erhalten, da
ich weiß, daß Ihr leiden müßt, wenn ich leide. So
höre denn, was mir heute widerfahren ist, und gib mir
Deinen Rat. Ich habe Dir noch niemals gesagt, wer
ich bin und wie ich heiße; nur das weißt Du, daß ich, wie
einst Dein Vater, verfolgt werde von des Reiches Acht
wegen des Kaisermordes. Du hast mich niemals nach
meinem Namen gefragt, hast auch niemals geforscht, wie
weit ich an dem Morde schuldig bin; und dafür, Irmgard,
dafür danke ich Dir ganz besonders. Heute aber will
ich es Dir sagen, daß ich in der Tat um die Ver¬
schwörung wußte, ja daß ich sogar geholfen habe
doch nein, laß mich schweigen. Hier im fernen deutschen
Norden, so glaubte ich, würde ich nun endlich Ruhe
finden; bis hierher, so wähnte ich, sei die Kunde von dem
Kaisermorde nicht gedrungen. Eitle Hoffnung! Wie
konnte ich, der vom Schicksal so grausam Verfolgte, auch
nur kurze Zeit glauben, daß die Zeit der Prüfungen