Full text: Das Altertum (Teil 3)

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Mittel schöpfte, einen zwar nicht trivialen, aber doch auch nicht gerade 
außerordentlichen Vorgang in einem idealen Lichte erscheinen zu lassen. 
Aber doch trat diese Poesie, die bis an die Schwelle des Dramas geführt 
hatte, weit hinter diesem zurück. Denn dem Drama wandten sich alle 
Förderungsmittel entgegen: die Gunst der Menge, der Wetteifer der 
Wohlhabenden in Ausstattung der Chöre, die Ausbildung der Orchestik, 
der Architektonik, der Bühnenmalerei: vor allem aber die Vielseitigkeit 
und Dehnbarkeit der neuen Form selbst, die dem Dichter gestattete, alles 
Große und Schöne, dessen sein Herz voll war, auf die wirksamste Weise 
zu sagen. Die Stoffe drängten sich ihm in reichster Auswahl zu: die 
Menge der Sagen, der Götter- und Heroenlegenden lagen in unerschöpf¬ 
licher Fülle vor seinem Geiste, der zugleich durch die Lyrik, die Philo¬ 
sophie, die erwachende Geschichtschreibung den Antrieb und die Fähig¬ 
keit erhielt, den sittlich-religiösen Gehalt dieser Mythen herauszufinden 
und Weisheit in den Formen dichterischer Schönheit zu lehren. Dazu 
war der große Aufschwung der Nation in den Perserkriegen gekommen: 
man hatte eine Tragödie voll der erschütterndsten Wirkung selbst erlebt, 
kecken Hochmut in den Staub gestürzt, schwere Schuld der Überhebung 
furchtbar gerächt; und der enge Zusammenhang zwischen dieser Wirk¬ 
lichkeit und jener Dichtung spricht sich in der alten Überlieferung aus, 
nach welcher von den drei hervorragenden Tragikern jener Zeit Äs chylos 
am Tage von Salamis mitgekämpft hatte, Sophokles den Chorreigen 
bei der Siegesfeier mittanzte, Enripides an dem glorreichen Tage ge¬ 
boren war. 
Die bedeutungsvolle Wirksamkeit des Enripides fällt in eine etwas 
spätere Zeit; von den beiden ersteren war Äschylos, Cnphorions Sohn, 
im Jahre 525 zu Eleusis geboren. Früh trat er mit Dramen auf und 
widmete sich mit ernstem und großem Sinne seiner Dichtung als einem 
Berufe. Was die Lehrer für die Knaben, läßt ihn Aristophanes sagen, 
das sind die Dichter für die Gereisten: er übte selbst seine Dichtungen ein 
und lehrte die Choreuten, die ihm der Archon Bafileus für das nächste 
Dionysienfest zuwies und die irgend ein reicher Bürger, der sich zur 
Übernahme dieser Ehrenpflicht erbot, ausstattete. Dann rief auch ihn 
die vaterländische Pflicht in die Waffen. Bei Marathon, bei Salamis, 
bei Platää focht er in den Reihen der athenischen Hopliten. Im Jahre 
472 wurde die Trilogie ausgeführt, in welcher er den großen Ereignissen 
ein erhabenes Denkmal setzte und von der uns glücklich das mittlere der 
drei Stücke, „die Perser", erhalten ist. Man kann sich denken, wie die 
Menge im Theater sich drängte, wie sie atemlos lauschte, als der Chor 
persischer Fürsten auftrat und feine bangen Ahnungen um das ferne 
Heer ausfprach — als die Königin, Terxes' Mutter Atoffa, hervortrat und 
ihr furchtbares Traumgeficht erzählte, schreckliche Zeichen am Opferherd, 
ein Adler, der sich zum Altar geflüchtet, wehrlos den fcharfen Klauen 
eines Habichts preisgegeben — als der Bote die Szene betrat und, bald
	        
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