Full text: Welt- und Staatskunde

98 III. Die Entwicklung der Kulturnationen. 
1884 begann Deutschland seine Kolonialpolitik. Nach und nach 
wurden Südwestafrika, Ostafrika, Kamerun und das Togoland, 
der Nordosten von Neu-Guinea (Kaiser Wilhelmsland), der Bis- 
marck-Archipel, die nördlichen Salomo- und die Marschallinseln er¬ 
worben und unter deutschen Schutz gestellt. 1890 trat Deutsch¬ 
land seine Schutzherrschaft über Witu an England ab, gestand ihm 
auch das Protektorat über Sansibar zu, erhielt aber dafür Helgo¬ 
land. 1897 wurde die Bucht von Kiautschou von China auf 99 
Jahre gepachtet; 1899 wurden die Marianen-, Karolinen- und 
Palau-Inseln von Spanien gekauft und 1890 der größte Teil der 
Samoa-Inseln im Vertrag mit England und Nordamerika erworben. 
Das Jahr 1888 wurde ein Jahr tiefer Trauer für die deutsche 
Nation: Deutschlands erster großer Kaiser und sein edler Sohn 
Friedrich III., der Liebling des deutschen Volkes, beschlossen 
ihr Heldenleben. Am 15. Juni 1888 bestieg Wilhelm II. den 
Thron seiner Väter. 
In Frankreich fanden die Ereignisse der Jahre 1870/71 
ein trauriges Nachspiel in dem furchtbaren Aufstand der Kommune, 
den Mac Mahon mit Hilfe der aus Deutschland zurückkehrenden 
Truppen beilegte. Die ihm im Frankfurter Frieden auferlegten 
Kriegskosten bezahlte Frankreich prompt und früher als erwartet; 
schon im September 1873 konnte der letzte Soldat der Okkupations¬ 
armee den französischen Boden verlassen. 
Für seinen Verlust im letzten Kriege fand Frankreich Trost 
durch Ausdehnung seines Kolonialbesitzes. Dem im Jahre 1820 
erworbenen afrikanischen Besitz, Algier, ward 1881 Tunis hinzu¬ 
gefügt; 1885 fand die Eroberung und Gründung eines indischen 
Reiches auf der hinterindischen Halbinsel statt, dessen Grenzen 1893 
noch weiter gezogen wurden. 1894 wurde in Afrika Timbuktu 
besetzt, 1895 die große Insel Madagaskar erobert. 
In Österreich machten sich bald Bestrebungen energisch 
geltend, die in demselben Prinzip, dem Nationalitätsprinzip, be¬ 
gründet lagen, dem Deutschland und Italien ihre Einigung ver¬ 
danken. Auch heute noch leiden der Gang der Reichsgeschäfte und 
die innere Entwicklung des Landes unter dem Widerstreit der 
Nationalitäten. 
Vom Berliner Kongreß (1878) ließ sich Österreich zur Okkupierung 
und einstweiligen Verwaltung von Bosnien und der Herzegowina er¬ 
mächtigen ; beide Lande wurden im Oktober 1908 durch eine Prokla¬ 
mation des Kaisers der österreich-ungarischen Monarchie einverleibt. 
Wichtige Veränderungen gingen in dieser Zeit auf der 
Balkanhalbinsel vor sich, wo die „orientalische Frage" sich 
immer wieder stellte.
	        
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