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Fluß unbemerkt dahinschleicht oder unwillig in leisen Klagen murmelt,
überdecken die schwimmenden Eisklumpen das Wasser. Und was
für Schauspiele bietet der Frost dem Auge! Der See gleicht einem
glatten Spiegel, auf welchem das Morgenlicht blitzt, ohne ihn zu
durchwärmen. Eine sanfte Brechung der Strahlen und ein ergötzendes
Spiel der Farben erscheint auf der hellen Fläche. Bald malt die
Sonne ihr Bild auf dem Eise als eine glänzende Scheibe, bald läßt
sie den ganzen krystallenen See in einem roten Feuer brennen. An
jener Seite schwärmt die Jugend des Dorfes auf dem Eise umher:
ein Haufe webt auf tönenden Schlittschuhen im geschickten Gleich—
gewichte schnell wie der Flug eines Pfeiles dahin, so schnell, daß
die Blicke ihm kaum mehr in die Ferne folgen können; ein anderer
jagt im rauschenden Schlitten herum, und Fröhlichkeit und Scherz
herr?hen unter den kleinen zerstreuten Scharen. — Fast jeder Morgen
zeigt uns neue Werke des Frostes von mannigfaltigen Gestalten und
Farben, ? er in der stillen Nacht verfertigte. Das Dach ist mit
silbernen ¶ zayfen umhangen. Die von Felsen herabfließenden Regen⸗—
ströme en ren Lauf vergessen; sie bilden an den Wänden, an
welchen sie sich ergossen, lange weiße Säulen, die dem Auge entgegen—
schimmern. Dann tönt die Erde unter dem Schritte der Reisenden,
und ieder Schall bricht heller durch die kalte Luft. Vergebens senken
sich die Strahlen des Mittags auf die harte Erde herab; kaum fühlt
sie die schwache Nerührung des erwärmenden Lichts; und wenn auch
das Tal auf einige Stunden seine Härte erweichen zu lassen scheint,
so wiederholt doch bald der Frost sein kaltes Blasen und zwingt
das, was die milde Sonne aufgelöst hatte, wieder unter seine rauhe
Herrschaft. Hirschfeld.
19. Hoffnung.
L Und dräut der Winter noch so sehr 4. Da wacht die Erde grünend auf,
Mit trotzigen Cebärden, Weiß nicht, wie ihr geschehen,
Und streut er Eis und Schnee umher, Und lacht inden sonnigen Himmel hinauf
Es muß doch Frühling werden. Und möchte vor Lust vergehen.
2. Und drängen Nebel noch so dicht 5. Drum still! Und wie es frieren mag,
Sich vor den Blick der Sonne, O Herz, gib dich zufrieden!
Sie wecket doch mit ihrem Licht Es ist ein großer Maientag
Einmal die Welt zur Wonne. Der ganzen Welt beschieden.
Blast nur, ihr Stürme, blast mit Macht! 6. Und wenn dir oft auch bangt und graut,
Mir soll darob nicht bangen; Als sei die Höll' auf Erden,
Auf leisen Sohlen über Nacht Nur unverzagt auf Gott vertraut!
Kommt doch der Lenz gegangen. Es muß doch Frühling werden.
E. Geibel.