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erzeugende, Alles durchdringende, Alles regierende göttliche Kraft als i
oberster Lenker und Götterkönig. Sein Name kündigt ihn als Welt- ; *
geist an, denn er bedeutet Geist, Sinn, Verstand. Er ist die bildende t
Kraft, welche den Menschen und Dingen Gestalt und Schönheit verleiht. .
Die Dichtkunst, die Lenkung des Krieges und Sieges, die Fruchtbarkeit j
des Bodens, alle Güter und alle Gaben sind von ihm abhängig, denn i
er ist der Gott des Wunsches, d. H. in der alten Sprache: des Jnbe- <
griffes alles Heils und aller Seligkeit. Er ist der Himmel, der die Erde i
schützend umfängt, die Sonne, die allen Wesen Licht und Leben schenkt. .
Das kriegerische Volk der Germanen dachte sich seinen höchsten Gott in i
voller Wagenpracht mit Helm und Schwert und Speer, auf hohem weißen i
Roß die Lüfte durchschneidend und über die Wasser fliegend; oder es *
thronte Wodan auf seinem Hochsitz, von dem aus er die Erde und alle- -
Wohnungen der Menschen überschaute, und der aus leuchtendem Golde 3
gefertigt war. In vielen Namen lebt das Andenken Wodan's fort. .
Ihm waren besonders die Berge heilig *); sein heiliger Wochentag war 3
der Mittwoch.
Der kraftvollste und erhabenste von Wodaus Söhnen ist D o n a r,
der Donnerer, in dem nordischen Mythus Thor genannt. Er ist des
Vaters rechte Hand, Göttern und Menschen stets mit thätiger Hülfe zum i
Schutz und Schirme nahe, besonders aber zeigt er sich als unermüdlicher :
Beschützer seiner Mutter, der Erde und derer, die sie bebauen. Wie 3
Wodan vorzugsweise der Gott der Helden und der kriegerischen Begei- ^
sterung, so ist Thor oder Donar besonders der Gott des Landmannes o
und der friedlichen Pflege des Ackerbaues. Im Sturm und Wetter i
selbst bringt er der Erde Segen. Wenn der rothbärtige Gott grollend <j
in seinem Wagen daher fährt, mit der linken sein Bockgespann lenkend, j
in der rechten den Alles zerschmetternden Hammer — „kein Würmlein |
ist so klein, daß es beim Donnern nicht erbebt, der Mensch verläßt voll 1
Ehrfurcht die Arbeit und das Mahl." Alles, was vom Blitze getroffen, j
war den alten Deutschen heilig und ward als besonders geweiht und d
wunderkräftig angesehen. Auch dem Donar, dem großen Sohne des Z
Wodan, waren die Berge heilig und zum Gedächtniß hat sich in ver- °
schiebenen Gegenden der Name Donnersberg, vor Allem aber die Be-
Zeichnung bes ihm geweihten Wochentages, in unserem Donnerstag, ,
erhalten.
Fro, nach bernorbischen Sage Freyr, ist ber frohe, frohmachenbe,
beseligenbe, ber schöne, heilige Gott bes Friebens unb ber Liebe. 3
Er theilt bie schöpferischen Eigenschaften Wobcm’s ohne seine Kriegslust, j
Der Gott ber Sonne unb ber Fruchtbarkeit war Freyr; er lenkt bas von r
Woban erschaffene Licht, gleich wie Helios ben Sonnenwagen führt. :
*) Godesberg bei Bonn, früher Wudinsberg geheißen. Desgleichen Gudensberg
frei Geismar u. a. m.