zum Königreich Westfalen vereint, welches Napoleon seinem Bruder Hie¬
ronymus (Ierome) übertrug.
In dieser Prüfungszeit fehlte es unserm Vaterlande nicht an Män¬
nern, die das Joch des fremden Herrschers abzuschütteln eifrig bemüht
waren. Major von Schill, Anführer einer Abtheilung freiwilliger Husaren,
fand in den Straßen der Stadt Stralsund nach tapferer Gegenwehr seinen
Heldentod. Elf seiner Offiziere fielen in französische Gefangenschaft und
wurden in der Festung Wesel erschosfen. Zu all diesem Unglück kam der
Tod der geliebten Königin Luise. Sie erlebte die mit großer Sehnsucht
erwarteten besseren Tage Preußens nicht mehr. Am 19. Juli 1810 starb
sie auf dem mecklenburgischen Schlosse Hohenzieritz. Im Schloßgarten zu
Charlottenburg bei Berlin, im sogenannten Mausoleum, ruht die Selige.
Der König arbeitete, unterstützt von treuen und weisen Räthen, eif¬
rig an der Wiederherstellung des Vaterlandes. Die Minister von Stein
und von Hardenberg hoben die Leibeigenschaft der Bauern auf. Für die
Neugestaltung des Heeres arbeitete der General Scharnhorst. Im Frieden
zu Tilsit hatte Preußen sich verpflichten müssen, nur 42,000 Mann Sol¬
daten zu halten. Um aber dennoch größere Heeresmasfen für die Zukunft
bereit zu haben, ließ Scharnhorst die Rekruten, sobald sie ausgebildet wa¬
ren, nach Hause gehen und berief andere an ihre Stelle. So gewann das
Land in kurzer Zeit ein Heer von 150,000 geübten Streitern. Die Wer¬
bung der Soldaten wurde abgeschafft und allgemeine Wehrpflicht ein¬
geführt. Auch für die Bildung des Volkes wurde viel gethan. Davon
zeugt unter Anderem die Gründung der Universität zu Berlin, welche un¬
geachtet des großen Geldmangels 1810 eröffnet wurde. Ein Jahr später
wurde die Universität Frankfurt nach Breslau verlegt.
6. Napoleons Zug nach Rußland. — Napoleon hatte 1809 auch
Oesterreich besiegt; er lenkte jetzt seine Blicke auf das gewaltige russische
Reich. Mit der Beschuldigung, daß Rußland in heimlicher Verbindung
mit England stehe, fiel Napoleon im Sommer 1812 mit einem Heere von
500,000 Mann (bestehend aus fast allen europäischen Völkern) und
1200 Kanonen in Rußland ein. Preußen mußte 20,000 Mann Hülfs-
truppen stellen. Napoleon blieb bei Smolensk und bei Borovino Sieger
und zog darauf in Rußlands Hauptstadt Moskau ein. Die Stadt war
leer. Hier gedachte er, über Winter zu bleiben und im Frühjahr das rus¬
sische Reich vollends zu erobern. Doch es kam anders. Eine entsetzliche
Feuersbrunst vernichtete fast die ganze Stadt, und Napoleon sah sich ge¬
nöthigt, dieselbe zu verlassen. Ende Oktober mußte er, da sich der Kaiser
von Rußland zu einem Frieden nicht bewegen ließ, den Rückweg antreten.
Der Winter fing ungewöhnlich zeitig an. Hunger und eine grausige Kälte