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feit und Gehorsam. Auch von Luther wissen wir, daß sein Vater
hart gegen ihn war, wenn er es auch herzlich gut meinte.
Die Eheschließung erinnerte in ihren Formen noch an
die Sitte der alten Zeit. Sie glich einem bürgerlichen Vertrage,
der zwischen dem Bräutigam und dem Vormuud des Mädchens
unter Befragung der Verwandtschaft geschlossen wurde, und zer¬
fiel in das Verlöbnis und die Heimsührnng. Bei der Verlobung
übergab der Muntherr die Braut dem Bräutigam mit dem äußeren
Zeichen, daß dieser ihr aus den Fuß trat. Der Ring, der römischen
Ursprungs ist und durch die Kirche zur Anwendung gelangt war,
wurde nur vom Manne überreicht. Durch das Verlöbnis wurde
der Bund rechtskräftig geschlossen; es bildete also bei der Ehe¬
schließung die Hauptsache. Mit der Heimführung, die meist einige
Zeit später erfolgte, war die Hochzeit verbunden, die im wesent¬
lichen ans tagelangen Schmausereien bestand, zn denen nicht nur
die Verwandten geladen waren, sondern nicht, selten die ganze
Gemeinde erschien. Dabei entfalteten Bürger und Bauern oft un¬
geheuren Luxus. Bei der früher schon erwähnten Hochzeit eines
Zinkenbläsers mit einer Bäckerstochter, die 1493 in Augsburg
gefeiert wurde, trug die Braut ein Kleid, das aus einzelnen
Stücken farbigen Stoffes und blauer Seide bestand und dessen
Nähte mit goldenen Spangen besetzt waren. Um die Taille
schmiegte sich ebenfalls eine Goldfpange, und an den Armbändern
blitzten kostbare Edelsteine. Ihre Mitgift belief sich auf 3000 Gold¬
stücke (etwa 50 000 Mark). Um solchem Luxus zu steuern, wurden
im 14. und 15. Jahrhundert vielerorts ausführliche Hochzeits-.
Ordnungen erlassen, in denen die zulässige Zahl von Mahl¬
zeiten, von aufzutragenden Schüsseln und einzuladenden Personen
festgesetzt wurde. So dursten nach der Ulmer Hochzeitsordnung
aus dem Ende des 14. Jahrhunderts nur drei Mahlzeiten statt¬
finden und zu jeder mir sechs Schüsseln aufgetragen werden, wobei
man auf eine Schüssel drei Personen rechnete. — Die Gäste lud
die Braut vielfach selbst ein. Oft erschien aber in ihrer Ver¬
tretung ein besonderer Hochzeitsbitter oder Tanzlader, der in den
Städten sein Amt hoch zu Roß versah und von etlichen Mit¬
reitern begleitet war.
Eine Eheschließung in der Kirche durch den Geistlichen war
neben der Trauung durch den Vormund bis zum 15. Jahr¬
hundert nicht allgemein üblich, wenn es auch Sitte war, daß das
junge Paar vor oder nach der Trauung unter Begleitung der