Full text: Vom Westfälischen Frieden bis zur Gegenwart (Teil 3)

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düng bett wirtschaftlichen Ruin bes Landes herbeigeführt. Millionen 
vermochten infolge der ungeheuren Steuerlast kaum das Nötigste 
für ihr Leben zu erwerben. Bei ihnen hatte sich nach den zahl¬ 
losen Erfahrungen schreiendster Ungerechtigkeit der Unwille gegen 
die bestehende Staatsordnung zu einer ungeheuren Zündmasse auf¬ 
gehäuft, die nur des Funkens bedurfte, um zur hellen Flamme 
aufzulodern. Bei der Zusammenberufung der Generalstände er¬ 
hob sich neben Adel und Geistlichkeit der „dritte Stand", der 
unter dem Rufe nach Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit eine 
neue Verfassung auf Grund allgemeiner Menschenrechte forderte. 
Das Königtum war zu schwach, die Bewegung in die rechte Bahn 
zu lenken. Infolgedessen gelangte die Herrschaft allmählich in die 
Hände des Pariser Pöbels, der vor den blutigsten Gewalttaten 
nicht zurückschreckte. Das Königtum wurde abgeschafft und Frank¬ 
reich zur Republik erklärt, der wohlwollende, leider zu schwache 
König Ludwig XVI. des Staatsverbrechens angeklagt, zum Tode 
verurteilt und 1793 sogar enthauptet. Er mußte für das Unrecht 
seiner Vorgänger büßen. Die blutdürstigen Jakobiner führten nun¬ 
mehr eine Schreckensherrschaft, schafften eine Zeitlang sogar die 
christliche Religion ab und erklärten die Vernunft als Göttin. 
Taufende von Männern, die ihnen verdächtig erschienen, fielen 
durch die Guillotine. So zerfleischte sich das französische Volk 
in wildem Wahnsinn, bis endlich auch die Häupter der Schreckens¬ 
herrschaft fielen und wieder besonnene Männer ans Ruder kamen. 
Ganze Scharen fleißiger Einwohner kamen damals über die 
Grenze und gründeten sich zumeist in Deutschland eine neue Heimat. 
Die Revolution räumte mit veralteten Zuständen gründlich 
auf. Die Zeit der bevorrechtigten Stände war dahin und die Gleich¬ 
heit aller Untertanen vor dem Gesetz als oberster Grundsatz ver¬ 
kündigt worden. Die Wertschätzung des einzelnen sollte nach seinen 
Leistungen erfolgen. Das waren Merkmale einer „neuen Zeit". 
In Deutschland begrüßte man anfangs die Erhebung mit 
großer Begeisterung, aber im wesentlichen nur in der Idee; sie 
praktisch nachzuahmen, bestand, von einzelnen Unruhen abgesehen, 
keine Neigung. Der Gehorsam gegen das bestehende Regiment 
war viel zu fest gewurzelt, und etliche aufgeklärte Fürsten hatten 
dem Volke manchen Fortschritt gebracht, um den die Franzosen 
erst kämpfen mußten. Als dann gar die Bewegung zu blutrünstigen 
Gewalttaten überging, wandten sich die Deutschen mit Verachtung 
von ihr ab.
	        
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