Full text: Vom Westfälischen Frieden bis zur Gegenwart (Teil 3)

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und durch jährlich zu leistende Beiträge verzinsten die Bauern 
die geliehene Summe und zahlten sie nach und nach zurück. Der 
geistigen Hebung des Volkes diente das 1835 erlassene Schul¬ 
gesetz. So brach mit den 30 er Jahren für das Sachsenland 
eine Zeit gewaltigen Aufschwungs auf allen Gebieten des Volks¬ 
lebens an. 
h) Strömungen der 30er Jahre. 
Preußen war damals vou der Neugestaltuug seiner Ver¬ 
fassung weiter denn je entfernt. Die Verwaltung des Landes war 
infolge der gewissenhaften Leistungen des Beamtentums in bester 
Ordnung, so daß sich sogar das Gefühl der Überlegenheit ent¬ 
wickelte und eine direkte Unzufriedenheit wenigstens in den alten 
Provinzen nicht wahrzunehmen war. Während nun in Süddeutsch¬ 
land, das den Hort des Liberalismus bildete, große Teilnahme 
und Begeisterung für die Kämpfe der Griechen und Polen hervor¬ 
trat, mußte Preußen im Interesse der Selbsterhaltung den Polen- 
ausstand im Verein mit Rußland bekämpfen. Infolgedessen bildete 
sich damals zwischen ihm und Süddeutschlaird ein scharfer Gegen¬ 
satz heraus. Preußen kam in den Geruch, daß es einer kon¬ 
stitutionellen Verfassung starren Widerstand entgegensetze. 
Unterdessen war im deutschen Bürgertum das Selbstgefühl 
mehr und mehr erstarkt. Die Steinschen Reformen, die nationale 
Begeisterung der Befreiungskriege, die Erweiterung der Volksrechte 
durch die ueueu konstitutionellen Verfassungen einzelner Staaten 
waren nicht spurlos au ihm vorübergegangen. Bei aller Königs¬ 
treue wollte der Bürger nicht mehr nur der sich duckende Untertan 
sein, sondern sich in der Gesamtheit betätigen gemäß seiner inneren 
Kraft. Zensur und Polizeimaßnahmen vermochten diese Wandlung 
des deutschen Volksgeistes nicht aufzuhalten. Zwei Ideen, die kon¬ 
stitutionelle und die der deutschen Einheit, waren aus dem Volks¬ 
empfinden nicht mehr zu bannen, namentlich nicht in Süddeutsch¬ 
land. Dort erstand den Deutschen ein neuer Mahner, der Schwabe 
Paul Pfizer. Er gab 1831 das Buch „Briefwechsel zweier 
Deutschen" heraus. Mit feuriger Beredsamkeit verkündete er darin 
in kühnem Geistesflug die Einigung Deutschlands unter der Führung 
Preußens. Zur Verwirklichung dieser Idee setzte in Süddeutschland 
eine mächtige Bewegung ein, die ihren Ausdruck fand in dem 
„Hamb ach er" Fest, einem der Wartburgfeier von 1817 ähn¬ 
lichein Bergfest. Eine ungeheure Menschenmenge, die man auf
	        
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