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Zu einer guten Mahlzeit gehört auch ein guter Trunk. Luther
trank sein Bier aus einem sog. Igel. Das ist ein großes Glas, grün
und ringsrum mit spitzen Glasbuckeln besetzt. Es ruht auf einem aus
Silber getriebenen, vergoldeten Fuße und ist 26 cm hoch. Dieses
Glas hat Luther, als er auf seiner letzten Reise durch Halle kam, seinem
lieben Freunde Justus Jonas verehrt.
Zuletzt kommt noch das Dintesaß Luthers! Wie manchen Tag, wie
manche einsame Stunde in der Nacht mag dies Stück von ihm benutzt
worden sein! Es ist eine hohle, mit mehreren starken Beulen versehene
Bleikugel. Der Sage nach hat Doktor Martinus dieses wuchtige Diuteu-
faß dem Teufel an den Kopf geworfen, als er ihn auf der Wartburg an
der Übersetzung des Neuen Testaments hindern wollte.
Auch diese stummen und doch beredten Zeugen seiner Thätigkeit
mögen uns an den großen Reformator erinnern, dessen mächtige Persön¬
lichkeit auf der Schwelle der neuen Zeit steht, der der freien Forschung
auf religiösem Gebiete die Bahn gebrochen, dem deutschen Volke seine
Sprache gegeben und es von den Banden des römischen Papstes be¬
freit hat. Theodor Voges.
49. Braunschweig.
Nicht durch Zufall oder Willkür hat sich hier eine so mächtige Stadt
erhoben; Braunschweig hat vielmehr eine höchst günstige Lage. Zunächst
scheidet sich hier das Heide- und Moorgebiet des Nordens von den
fetten, fruchtbaren Thälern und waldreichen Bergen der südlichen
Landschaften. Dazu kam, daß die Oker, die jetzt trübe und träge
dahinschleicht, in früheren Zeiten mit Kähnen bis hierher befahren
werden konnte. Als die Landstraßen noch schlecht waren, benutzte man
selbst ärmliche Wasserstraßen, und so führte Braunschweig in der That
große Massen Korn und andere Erzeugnisse durch die Oker und Aller
über Celle nach Bremen. Heinrich der Löwe dachte in Zollsachen sehr
milde; er wollte von Flußzöllen nichts wissen und erteilte den Schiffen
von Bremen nach Braunschweig freie Durchfahrt. Das trug viel zur
Handelsgröße der Stadt bei, die wohl den Segen der Flußlage erkannte
und mit Rücksicht auf die kleine Oker klagte: „O Brunswik, wärest du
Waters rike, so wäre nimmer dienes gelike." Über Braunschweig
führte die große Handelsstraße von Lübeck und Hamburg nach dem Süden
und später der ostwestliche Heerweg, welcher Elbe und Rhein verknüpfte.
Bekanntlich muß als der eigentliche Gründer der Stadt Heinrich
der Löwe angesehen werden. Er machte Braunschweig zur Festung und
stellte vor seiner Burg Daukwarderode im Jahre 1166 den ehernen
Löwen auf, ein Meisterstück byzantinischer Arbeit und ein Wahrzeichen
der Stadt. Dabei errichtete er noch „einen uygen Dom in die Ere
fiinte Blasius und fünte Johannes Baptiste", ein überaus edles Ge¬
bäude, geschmückt mit Wandgemälden ans dem 12. und 13. Jahrhundert.
Da steht noch der siebenarmige Leuchter, dessen Kerzen einst dem Löwen