Full text: Badisches Realienbuch

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die Tilsiter Niederung, westlich von Tilsit, die vor 150 Jahren nur aus Bruch 
und Moorland bestand, ist jetzt mit ihren üppigen Kornfeldern, kräftigen Rinder¬ 
herden und stattlichen Bauernhäusern eine der wohlhabendsten Gegenden Deutsch¬ 
lands. Die Bewohner, die Litauer, sprechen noch heute ihre eigene Sprache. 
Sie zeichnen sich durch ihre Gutmütigkeit, Gastfreiheit und Königstreue ans. In 
entlegenen Gegenden verfertigt sich der litauische Bauer noch alle Haus- und Wirt¬ 
schaftsgeräte selbst. Die Litauer züchten kräftige Pferde und sind geschickte Reiter. 
Die Hauptstadt Litauens ist Tilsit (40 T.) au der Memel. Hier wurde 1807 auf einem 
Floßzelte der unglückliche Friede zwischen Napoleon I. und Friedrich Wilhelm III. abgeschlossen. 
Die zweitgrößte Stadt Litauens ist Insterburg, am Pregel gelegen. Gumbinnen wurde 1723 
an Stelle eines früheren Dorfes von Friedrich Wilhelm I. gegründet und den vertriebenen 
Salzburgern als Wohnsitz angewiesen. Daher findet sich auch auf dem Markte daselbst das 
Standbild dieses Königs. Nicht weit von Gumbinnen liegt das Königliche Pferdegestüt 
Trakehnen, an der russischen Grenze die Endstation Eydtkuhnen. Das der Niederung 
vorgelagerte Küstengebiet ist eine Haffküste. Durch die Kurische Nehrung wird das 
Kurische Haff, durch die Frische Nehrung das Frische Haff von der Ostsee getrennt. 
Die Kurische Nehrung ist etwa 100 km lang und y2—4 km breit. Wer von 
Norden her diesen Landstreifen betritt, erblickt nichts als einzelne verkrüppelte Kiefern 
und 60—70 m hohe Sandberge, wandernde Dünen. Auf der Knrischen Nehrung 
gibt es nur etwa 8 Dörfer. 
Da sich das Kurische Haff durch das Wasser der Memel füllt, so erklärt es sich 
leicht, weshalb das Wasser Süßwasser ist. Das Haff ist sehr flach, und die an vielen 
Stellen hervortretenden Sandbänke machen die Schiffahrt im Haff sehr gefährlich. 
Deshalb hat man zur Seite des Haffes einen Kanal angelegt. Wo sich das Wasser 
des Kurischen Haffes einen Durchgang zum Meere verschafft hat, ist das Tief. An 
ihm liegt die Stadt Memel (21 T.), der nördlichste Hafen Preußens. Im Hafen 
Memels wird viel russisches Holz verladen, das auf der Memel hierher gebracht wird. 
Daher finden wir in Memel auch über 60 Sägemühlen, in denen man das Holz 
zu Brettern, Balken usw. verarbeitet. — Zwischen dem Kurischen und Frischen 
Haff liegt wie eine Halbinsel das Samland, an dessen Küste viel Bernstein ge¬ 
funden wird. 
In das Frische Haff mündet der Pregel; an ihm liegt Königsberg (245 T.), die zweite 
Hauptstadt Preußens. Ziemlich in der Mitte der Stadt steht auf einer Anhöhe das könig¬ 
liche Schloß. Mit diesem ist die Schloßkirche verbunden, in der am 18. Januar, 1701 die 
Krönung Friedrichs I. zum König „in" Preußen stattfand und in der 1861 auch Wilhelm I. 
gekrönt worden ist. Auf der östlichen Seite des Schlosses ist Friedrich I. ein Denkmal 
errichtet worden. Königsberg ist eine bedeutende Handelsstadt. Dazu ist es durch seine 
Lage am Pregel vorzüglich geeignet. Die größeren Seeschiffe müssen zwar schon bei der 
Festung Pillau gelöscht werden (warum?), die kleineren aber können bis an den Packhof der 
Stadt fahren. Königsberg ist eine starke Festung, durch die die Ostgrenze Preußens gegen 
Rußland geschützt werden soll. Ihre Hauptstärke aber liegt nicht m den Mauern und Wällen, 
mit denen die Stadt selbst umgeben ist, sondern vielmehr in den 12 Außenfestungen, die 
vor der Stadt errichtet sind. — Königsberg hat auch eine Universität. 
Das zwischen dem Frischen Haff und der Preußischen Seenplatte gelegene 
wellige, fruchtbare Hügelland heißt das Oberland. Es liegt 100 m höher als 
Elbing. Um die Früchte des Landes und die Bodenschätze besser verwerten zu 
können, hat man 1860 das Frische Haff (bei Elbing) mit einer Reihe ostpreußischer 
Seen durch einen,196 km langen, sehr merkwürdigen Kanal verbunden. Um diesen 
näher kennen zu lernen, fahren wir mit einem der kleinen Kanaldampfer ström-
	        
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