Object: [Teil 5 = Schuljahr 7 und 8, [Schülerband]] (Teil 5 = Schuljahr 7 und 8, [Schülerband])

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22. Das Handelshaus Gruit van Steen. 
1. Das Handelshaus Gruit van Steen war im Beginn des 
17. Jahrhunderts eines der angesehensten, reichsten und festbegrün— 
detsten in Hamburg. Inhaber war damals Herr Hermann Gruit, 
der nach dem Tode des ehrwürdigen Vaters mit der Handlung und 
dem Hause auch den alten Jansen als Erbstück überkommen hatte, 
einen goldtreuen Diener des Hauses, mit Leib und Seele, wie sonst 
dem alten, nun dem jungen Herrn zugetan, den er schon als Kind 
auf den Knien geschaukelt hatte. Wenige verstanden das Handels— 
wesen damaliger Zeit bis in seine äußersten Verzweigungen so von 
Grund aus, wie der alte Jansen; daher galt auch sein Wort in der 
Schreibstube, wie das des Herrn selbst. 
2. Der Dreißigjährige Krieg verwüstete schon seit zwanzig Jahren 
unser armes Vaterland durch Raub, Mord und Brand von einem 
äußersten Ende zum andern; Städte und Dörfer waren zu Hunderten 
verheert und verlassen von den Bewohnern, die mit ihrem Vieh in 
die Wälder flohen, um sich vor den räuberischen, blutigen Händen 
der gottlosen Landsknechte zu retten. Bei diesem allen und bei der 
Unsicherheit der Landstraßen in allen Ländern war es kein Wunder, 
daß der Handel stockte, und vorzüglich der Betrieb ins Innere von 
Deutschland erlahmte. Das fühlte man auch im Kontor des Herrn 
Hermann Gruit, da schon seit längerer Zeit viel seltener und weniger 
bepackt die Saumrosse und Frachtwagen vor dem Hause hielten, und 
im Hause war es oft wochenlang so still wie in einer Kirche, während 
es sonst manchen Tag in und vor dem Hause fast so lebhaft herging, 
wie auf dem großen Markte. 
3. Da geschah es eines Morgens, nachdem Herr Jansen im Kontor 
lange den Kopf geschüttelt und dann noch länger gedankenvoll von 
seinen Briefen weg hinauf an die braungetäfelte Zimmerdecke so starr 
geschaut hatte, als wollte er die Fliegen oben zählen, daß er sechs— 
mal nacheinander mit seinem Schwanenkiel in das große silberne 
Tintenfaß tauchte, die übervolle Feder gewaltig auf den Tisch stampfte 
und dadurch den vor ihm liegenden, angefangenen Brief von oben 
bis unten mit Tintenflecken bespritzte und so auf einmal fertig machte. 
Herr Hermann ihm gegenüber fuhr fast vom Sitze auf und sagte: 
„Ei, Jansen, seid Ihr denn heute, vielleicht zum erstenmal in Eurem 
Leben, in den Ratskeller geraten und habt von einem spanischen 
Fäßlein gekostet?“ „Nein, Herr,“ antwortete Jansen mürrisch, „aber
	        
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