durch äußere Vorzüge, wurde sie auch nicht durch den äuße¬ 
ren Glanz in ihrer innern stillen Welt gestört, und schon zu 
der Zeit begann in ihr eine aus dem höchsten religiösen 
Standpunkt gebildete Ansicht der Welt, welche wir später 
herrliche Früchte tragen sehen werden. 
Die Kindheit der Königin war in die schönen Zeiten 
gefallen, wo die echten Blüten der deutschen Poesie und 
Kunst sich immer kräftiger und mächtiger aufzuschließen 
und zu entfalten strebten. Herder, Goethe, Schiller hatten 
ihren Geist früh angezogen und ihm Nahrung gewährt. 
Herder, dessen attischer Geist1) und altertümliche Gelehr¬ 
samkeit vereinigt war mit der blühenden und duftenden 
religiösen Phantasie des Orients und geläutert durch echt 
deutsche christliche Sinnesart; Herder, in dessen Geist Plato 
und Christus und die Weisheit des Morgenlandes zugleich 
sich spiegelten und verklärten, zog vorzüglich das jugendliche 
Gemüt der Königin an. Seine zersteuten Blätter, seine 
Briefe zur Bildung der Humanität, seine Terpsichore, seine 
Adrastea2), waren ihre Begleiter auf allen ihren Reisen. In 
späteren Jahren zog Goethe und die antike Frische seines 
Geistes, welche den Geist der Königin sehr ansprechen 
mußte, weil sie selbst diese antike Frische besaß, sie mehr 
an. Goethe, der Meister in jeder Art und Kunst, der voll¬ 
endete Künstler, erregte ihre beständige Bewunderung. 
Auch Schiller mußte ein Gemüt wie das der Königin sehr 
ansprechen, er, der die Tiefen des menschlichen Herzens 
dramatisch dargestellt und, durch die Welt seines reichen 
*) d. h. klassischer, feingebildeter Geist. 
2) Herders ,,Zerstreute Blätter“ (6 Sammlungen, 
Gotha 1785—97), ,,Terpsichore“ (Lübeck 1795—96) und 
,,A d r a s t e a“ (6 Bände, Leipzig 1801—03) enthalten lehrhafte 
Parabeln, Epigramme, antike Mythen und Fabeln, poetische 
Übersetzungen aus alten und neuen Dichtern u. dgl. — Die 
Briefe zur Beförderung der Humanität (d.i. 
edle Menschlichkeit) erschienen in 10 Sammlungen 1793—97.
	        
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