92 108. Nach der Schlacht bei Kollin. 109. Der Überfall in Gotha.
4. Sie fliehn. Die alte Erde
Bebt selbst, als ob's ihr graut'.
Da steigt Schwerin vom Pferde:
„Mir nach!" so ruft er laut.
Er faßt die alte Fahne,
Noch nie zur Flucht gewandt,
Daß er den Sieg erbahne
Mit seiner Greisenhand.
Vier Kugeln, erzgegoss'ne,
'Die haben ihn zerfetzt;
Die Fahne, die zerschoss'ne,
Sein Bahrtuch') ist sie jetzt.
6. Die Truppen zieh'n vorüber
Mit dumpfem Trommelschlag;
Solch' Tag des Glücks ist trüber
Als manch' ein Unglückstag.
Wie Wetterwolken-Schwere
Sieht mau's am Himmel ziehn;
Sie ziehn vorauf dem Heere
Und deuten auf — Kollin.
5. Die Hügel sind erstiegen;
Die Kaiserlichen fliehn;
Doch trauervolles Siegen:
Im Sterben liegt — Schwerin.
Theodor Fontane.
108, Nach der Schlacht bei Kollin.
a) Friedrich schrieb ein den Feldmarschall Keith:
Das Glück hat mir den Rücken gekehrt. Ich sollte darauf gefaßt fein;
es ist ein Weib, und ich bin nicht zuvorkommend. Ich hätte mehr Infanterie
nehmen sollen; drei und zwanzig Bataillone reichten nicht hüt, um fechzig-
tauseud Mann aus einer vorteilhaften Stellung zu vertreiben. Die Erfolge,
mein Teurer, geben oft eine gefährliche Sicherheit; wir werden nufere Sache
ein andermal besser machen.
b) Einen Brief an seine Schwester beschloß Friedrich mit folgenden Versen:
Ich weiß, ich bin ein Mensch, geboren nur zu Leid;
Doch gegen Mißgeschick halt ich den Mut bereit. —
Und du, geliebtes Volk, du, dessen Not mich rührt,
Für dessen Wohl die Pflicht mich auf das Schlachtfeld führt,
5 Ich sehe dich bestürmt, dich von Gefahr umringt;
Dein banger Hilferuf mir tief zum Herzen dringt.
Nicht acht ich Rang und Glanz für edleren Gewinn;
Dich zu erretten, geb ich gern mein Blut dahin.
Ja dir gehört mein Blut; dir nur gehört mein Leben;
10 Mit Freuden fei's für dich zum Opfer hingegeben.
Fürs Vaterland focht' ich; den Lorbeer wollt ich brechen;
Ihr Krieger, auf! Es gilt jetzt feine Schmach zu rächen.
Au seiner Walle Fuß soll nicht der Tod uns schrecken;
Wir siegen — oder uns soll Staub und Trümmer decken.
109. Der Überfall in Gotha.
(1757.)
Der Geschichtsschreiber Archenholtz berichtet:
Die Generalität der Franzosen mit ihrem Heerführer Soubise an der
Spitze und 8000 Mann hatten Gotha zu ihrem Ruheorte ausersehen, um sich
von den Kriegsanstrengungen etwas zu erholen. Auf dem herzoglichen Schlöffe
J) Leichentuch.