Full text: Quellenbuch für den Geschichtsunterricht

Jordanes: Attila und die Schlacht auf der Katalaunischen Ebene. 
15 
Gefahr geschützt wäre. Seine Flügel bildeten viele verschiedenartige Stämme, 
die er sich unterworfen hatte. Darunter sind besonders die Ostgoten und 
Gepiden hervorzuheben. 
Attila schickte die Seinen ab, den Berggipfel zu nehmen; aber Thoris- 
mund und Aetius kamen zuvor, und indem sie sich anstrengten, den Hügel 
zu ersteigen, erreichten sie zuerst die Spitze und verjagten die herankommenden 
Hunnen vermöge ihrer günstigen Stellung auf dem Berge mit Leichtigkeit. 
Als Attila sah, daß sein Heer durch diesen Anlaß in Bestürzung geriet, hielt er 
eine Ansprache. Durch diese begeistert, stürzten sich alle Hunnen in den Kampf. 
Und obwohl die Lage selbst eine furchtbare war, die Gegenwart des 
Königs befreite auch die Ängstlichen von jedem Zaudern. Es kam zum 
Handgemenge; ein schrecklicher Kampf, ein gewaltiger, vielförmiger, mit Hart¬ 
näckigkeit geführt, desgleichen nirgends im Altertum berichtet wird, wo der¬ 
artige Taten erzählt werden, so daß der, der dieses Wunders Anblick genoß, 
nichts Großartigeres in seinem Leben hätte sehen können. Denn wenn man 
den Erzählungen der älteren Leute glauben darf, das Bächlein, das in 
niederen Ufern an der erwähnten Ebene vorbeifließt, schwoll von dem reich¬ 
lichen Blut der Wunden der Getöteten an und wuchs nicht wie sonst durch 
Regengüsse, sondern wurde infolge der ungewohnten Flüssigkeit durch des 
Blutes Zufluß ein reißender Gießbach. Und die, welche dort eine Verwundung 
den brennenden Durst zu stillen nötigte, schlürften das Naß mit Blut ver¬ 
mischt. So tranken sie, durch ein klägliches Schicksal umstrickt, das Blut, 
das sie aus ihrer Wunde vergossen. Da wurde auch der König Theodorich, 
während er ermutigend sein Heer durcheilte, vom Pferde gerissen; und von 
den Füßen der ©einigen zertreten, endete er in frühem Alter. Da trennten 
sich die Westgoten von den Alanen und drangen auf die Scharen der Hunnen 
ein; und fast hätten sie den Attila getötet, wenn er nicht vorher vorsichtig 
geflohen wäre und sich und die Seinen sogleich in das Gehege seines Lagers, 
das er mit Wagen umgeben hatte, eingeschlossen hätte. Wenngleich dies nur 
eine gebrechliche Schutzwehr bildete, so suchten doch dort diejenigen Fristung 
ihres Lebens, denen kurz zuvor kein Mauerwall hätte widerstehen können. 
Thorismuud aber, des Königs Theodorich Sohn, der mit Aetius den Hügel 
vorweggenommen und die Feinde von der Höhe herabgejagt hatte, geriet, 
im Glauben, zu seinen Truppen zu kommen, in finstrer Nacht ahnungslos 
unter die Wagen der Feinde. Als er tapfer kämpfte, zog ihn, der schon 
am Kopfe verwundet war, jemand vom Pferde herab; und dann ließ er, durch 
die Fürsorge der ©einigen befreit, ab von des Kampfes Anstrengung. Aetius, 
der ähnlich bei der Verwirrung während der Nacht von den Seinen abge¬ 
kommen war, fragte, als er mitten unter den Feinden umherschweifte, ängstlich, 
ob den Goten kein Unglück zugestoßen sei, und als er endlich zum Freundes¬ 
lager kam, verbrachte er den Rest der Nacht unter schützenden Schilden.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.