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Die Verfassung des Deutschen Reiches.
Die gesamte seemännische Bevölkerung des Reiches, einschließlich des Maschinen¬
personals und der Schiffshandwerker, ist vorn Dienste im Landheere befreit, dagegen zum
Dienste der kaiserlichen Marine verpflichtet.
Die Berteilung des Ersatzbedarses findet nach Maßgabe der vorhandenen seemän¬
nischen Bevölkerung statt, und die hiernach von jedem Staate gestellte Quote kommt aus
eie Gestellung zum Landheere in Abrechnung.
Art. 54. Die Kauffahrteischiffe aller Bundesstaaten bilden eine einheitliche Han¬
delsmarine.
Das Reich hat das Verfahren zur Ermittlung der Ladungsfähigkeit der Seeschiffe
Zu bestimmen, die Ausstellung der Meßbriefe sowie die Schiffszertifikale zu regeln und
die Bedingungen festzustellen, von welchen die Erlaubnis zur Führung eines Seeschiffes
abhängig ist . . .
Art. 55. Die Flagge der Kriegs- und Handelsmarine ist schwarz-weiß-rot.
X. Konfulatwei'en.
Art. 56. Das gesamte Konsulatwesen des Deutschen Reiches steht unter der Auf¬
sicht des Kaisers, welcher die Konsuln nach Vernehmung des Aussckuffes des Bundesrates
für Handel und Verkebr anstellt.
In dem Amtsbezirk der deutschen Konsuln dürfen neue Landeskonfulate nicht
errichtet werden. Die deutschen Konsuln üben für die in ihrem Bezirk nicht vertretenen
Bundesstaaten die Funktionen eines Landeskonfuls aus. Die sämtlichen bestehenden
Landeskonsulate werden aufgehoben, sobald die Organisation der deutschen Konsulate der¬
gestalt vollendet ist, daß die Vertretung der Einzelinteressen aller Bundesstaaten als durch
die deutschen Konsulate gesichert von dem Bundesrate anerkannt wird.
XI. Reichskriegswefen.
Art. 57. Jeder Deutsche ist wehrpflichtig und kann sich in Ausübung dieser Pflicht
nicht vertreten lassen.
Art. 58. Die Kosten und Lasten des gesamten Kriegswesens des Reiches sind
von allen Bundesstaaten und ihren Angehörigen gleichmäßig zu tragen . . .
Art. 59. Jeder wehrfähige Deutsche gehört sieben Jahre lang, in der Regel vom
vollendeten 20. bis zum beginnenden 28. Lebensjahre, dem stehenden Heere, — und zwar
die ersten drei (bzw. zwei Jahre) bei den Fahnen, die letzten vier (fünf) Jahre in der
Reserve — und die folgenden vier Lebensjahre der Landwehr ersten Aufgebots und sodann
bis zum 31. März desjenigen Kalenderjahres, in welchem das 39. Lebensjahr vollendet
wird, der Landwehr zweiten Aufgebots an.
Art. 60. Die Friedenspräsenzstärke des deutschen Heeres wird durch Gesetz vom
3. August 1893 auf ein Prozent der Bevölkerung vom 1. Dezember 1890 (beträgt
585 000 Mann) normiert und wird pro rata derselben von den einzelnen Bundes¬
staaten gestellt.
Art. 61. . . . Nach gleichmäßiger Durchführung der Kriegsorganisation des deutschen
Heeres wird ein umfassendes Reichs-Militärgefetz dem Reichstage und dem Bundesrate
zur verfassungsmäßigen Beschlußfassung vorgelegt werden.
Art. 62. Zur Bestreitung des Aufwandes für das gesamte deutsche Heer und
die zu demselben gehörigen Einrichtungen sind dem Kaiser jährlich soviel mal 675 Mark,
als die Kopfzahl der Friedensstärke des Heeres nach Art. 60 beträgt, zur Verfügung zu
stellen. (Vgl. Abschnitt XII.)
Die Verausgabung dieser Summe für das gesamte Reichsheer und dessen Ein¬
richtungen wird durch das Etatsgefetz festgestellt.
Art. 63. Die gesamte Landmacht des Reiches wird ein einheitliches Heer bilden,
welches in Krieg und Frieden unter dem Befehle des Kaisers steht.