Full text: Quellenbuch für den Geschichtsunterricht

Die Goldene Bulle Kaiser Karls IV. 1356. 
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nicht und schliefen auch nicht in Federbetten. Alle hatten vorn und hinten 
Kreuze auf ihren Kleidern und auf dem Hute und hatten ihre Geißeln an 
den Kleidern hängen; in keiner Pfarrei blieben sie länger als eine Nacht. 
Tausend Straßburger traten in tiefer Demut in ihre Bruderschaft und ver¬ 
sprachen, den schwäbischen Meistern während der vorgenannten Zeit gehorsam 
zu sein. Keiner wurde aufgenommen, wenn er nicht versprach, das oben 
Angeführte während der bestimmten Anzahl von Tagen beobachten zu wollen, 
und wenn er nicht mindestens vier Denare im Tage zu verzehren hatte, 
damit er nicht betteln mußte, auch mußte er versichern, daß er in Zerknirschung 
gebeichtet, seinen Feinden alles Unrecht vergeben und die Einwilligung seiner 
Frau erhalten hätte. 
In Straßburg teilten sie sich, ein Teil zog nämlich rheinabwärts, der 
andere auswärts, und die Meister teilten sich ebenso. Die Meister unter¬ 
sagten auch den Straßburgern eine zu plötzliche und heftige Geißelung. Es 
strömten ihnen vom Ober- und vom Niederrhein und vom Flachlande eine 
solche Menge zu, daß sie niemand zu zählen vermochte. Dies war dem 
König Karl, mehreren aus dem Bettelorden und vielen Priestern sehr 
schmerzlich. 
Kapitel 132. Wie der Papst mit Zustimmung des Römischen 
Königs Karl die Wanderungen der Geißler verboten hat. 
Aufgefordert von dem Römischen König Karl, erließ der Papst einen 
Prozeß/ durch welchen er die Sekte der Geißler verurteilte, ihre Unter¬ 
drückung anordnete und den Bischöfen befahl, Mönche, welche sie begünstigten, 
verhaften zu lassen, Geißelungen aber, welche im stillen und in guter Absicht 
zu Hause vorgenommen würden, erlaubte. Auch erklärte er in dieser Ver¬ 
ordnung, daß vor denjenigen, welche die Hände gegen die Inden erhoben 
hätten, was die christliche Barmherzigkeit verbietet, auch andere und recht¬ 
schaffene Leute sich zu fürchten hätten. 
31. Die Goldene Bulle Kaiser Karls IV. 1356. 
Nach Johann Christian Lünig, Das Teutsche Reichs-Archiv. 
Leipzig, bei Friedrich Lanckischens Erben. 1710. 1. Teil. S. 34. 
Kapitel 1 bis 23 dieses Reichsgrundgesetzes wurden am 9. Januar 1356 aus dem 
Reichstage zu Nürnberg, Kapitel 24 bis Schluß am 25. Dezember 1356 auf dem Reichs¬ 
tage zu Metz verkündet. Das in lateinischer Sprache verfaßte Gesetzbuch ist in vier Origi¬ 
nalen erhalten, von denen drei (zu Mainz, Heidelberg und Frankfurt a. M.) mit goldenen 
Bullen versehen sind, während das Nürnberger Exemplar nur das große kaiserliche Siegel 
in Wachs besitzt. 
Im Namen der heiligen und ungeteilte» Dreifaltigkeit feliglich. Amen. 
1 Prozeß ist in der Rechtswissenschaft das Verfahren vor Gericht, durch das eine 
Rechtssache zur endgültigen Erledigung gebracht wird, ferner der Inbegriff der für dieses 
Bersahren notwendigen Regeln.
	        
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