170 Zeugnisse zum deutschen Aufstieg. V/1815—1880
als die Liebe, die mich zum Rasen brachte, und sie ergab sich
gewiß nur darein, um meine Vorwürfe zu widerlegen, denn sie
war kalt gegen mich wie der Tod. Ihr stehen böse Tage bevor,
nun, auch ich werde noch viel Verdruß haben! Trage jeder das
Seinige! Vor allen Dingen die Sache mit dem kleinen Buckel x)
nur recht fest gemacht, damit die mir nicht entgeht, wenn das
Gewitter ausbricht! Dann Hab' ich den Bürgermeister auf meiner
Seite, und brauche vor nichts bange zu sein!
Zweite Szene.
Klara (tritt ein). Guten Abend, Leonhard!
Leonhard. Klara? (Für sich.) Das half ich nun nicht mehr
erwartet! (Laut.) Hast du meinen Brief-) nicht erhalten? Doch—
du kommst vielleicht für deinen Vater und willst die Steuer be-
zahlen! Wie viel ist es nur? (In einem Journal blätternd.) Ich
sollte es eigentlich aus dem Kopf wissen!
Klara. Ich komme, um dir deinen Brief zurückzugeben.
Hier ist er! Lies ihn noch einmal!
Leonhard (liest mit großem Ernst). Es ist ein ganz vernünftiger
Brief! Wie kann ein Mann, dem die öffentlichen Gelder an-
vertraut sind, in eine Familie heiraten, zu der (er verschluckt ein
Wort) zu der dein Bruder gehört?
Klara. Leonhard!
Leonhard. Aber vielleicht hat die ganze Stadt unrecht?
Dein Bruder sitzt nicht im Gefängnis? Er hat nie im Gefängnis
gesessen? Du bist nicht die Schwester eines — deines Bruders?
Klara. Leonhard, ich bin die Tochter meines Vaters, und
nicht als Schwester eines unschuldig Verklagten, der schon wieder
freigesprochen ist, denn das ist mein Bruder, nicht als Mädchen,
das vor unverdienter Schande zittert, denn (halblaut) ich zittre
noch mehr vor dir, nur als Tochter des alten Mannes, der
mir das Leben gegeben hat, stehe ich hier!
Leonhard. Und du willst?
1) Leonhard bewarb sich nun um die kleine bucklige Nichte des Bürger-
meisters, um höher zu kommen.
2) In dem er die Verlobung aufhebt.