Full text: Zeugnisse zum deutschen Aufstieg

Philosophie, Weltanschauung, Wissenschaft, Erziehung 9 
Geschenke, deren eine erschaffene Natur fähig ist, ersetzen viel- 
faltig den Abgang jener viehischen Triebe und Fertigkeiten, die 
keine Verbesserung, keinen höheren Grad der Vollkommenheit 
je annehmen können, Kaum genießt er das Licht der Sonne, 
so arbeitet schon die gesamte Natur, ihn vollkommener zu machen; 
dieses schärft seine Sinne, Einbildungskraft und Erinnerung?- 
vermögen, jenes übt seine edleren Erkenntniskräfte, bearbeitet 
seinen Verstand, seine Vernunft, seinen Witz, seinen Scharf- 
sinn. Das Schöne in der Natur bildet seinen Geschmack und 
verfeinert seine Empfindung,- das Erhabene erregt seine Be- 
rounderung und erhebt seine Begriffe gleichsam über die Sphäre 
dieser Vergänglichkeit hinweg. Ordnung, Übereinstimmung und 
Ebenmatz dienen ihm nicht nur zum vernünftigen Ergötzen, 
sondern beschäftigen seine Gemütskräfte alle in gehöriger und 
ihrer Vollkommenheit zuträglicher Harmonie. Bald tritt er mit 
seinesgleichen in Gesellschaft, um sich Wechselsweise die Mittel 
zur Glückseligkeit zur erleichtern; und siehe, es zeigen und bilden 
sich an ihm in dieser Gesellschaft höhere Vollkommenheiten, die 
bisher wie in einer Knospe eingewickelt gewesen. Er erlangt 
Pflichten, Rechte, Befugnisse und Obliegenheiten, die ihn in die 
Klasse moralischer Naturen erheben; es entstehen Begriffe von 
Gerechtigkeit, Billigkeit, Anständigkeit, Ehre, Ansehen, Nachruhm. 
Der eingeschränkte Trieb der Familienliebe wird in Liebe zum 
Vaterlande, zum ganzen menschlichen Geschlecht erweitert, und 
aus dem angebornen Keime des Mitleids entsprossen Wohl- 
wollen, Mildtätigkeit und Großmut. — Nach und nach bringt 
der Umgang, die Geselligkeit, das Gespräch, die Aufmunterung 
alle sittlichen Tugenden zur Reife; sie entzünden das Herz zur 
Freundschaft, die Brust zur Tapferkeit und den Geist zur Wahr- 
heitsliebe; breiten einen Wetteifer von Dienst und Gegendienst, 
Liebe und Gegenliebe, eine Abwechslung von Ernst und Scherz» 
Tiefsinn und Munterkeit über das menschliche Leben aus, die 
alle einsamen und ungeselligen Wollüste an Süßigkeit über- 
treffen; weshalb auch der Besitz aller Güter dieser Erde, der 
Genuß der feurigsten Wollüste, uns nicht behagt, wenn wir sie 
in der Einsamkeit besitzen und genießen sollen; ja die erhabensten
	        
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