34 Zeugnisse zum deutschen Ausstieg. 11/ 1720—1750
dings trägt das Interesse, das sie darin finden, zu dieser Unter-
werfung bei, aber das hindert nicht, daß sich endlich die Meinung
bildet. In der römischen Kirche begnügt man sich fast mit
diesem dunklen Glauben, da es keinen aus der Offenbarung
herstammenden Lehrsatz gibt, der in ihr für absolut grund-
legend erachtet wird und für notwendig gilt , an den zu
glauben eine zur Seligkeit notwendige Bedingung ist. Sie sind
aber alle ... durch die Notwendigkeit ^voreingenommen^ x),
daß darin gelehrt wird, der Kirche zu gehorchen, wie man es
nennt, und der darin aufgestellten Lehre alle gebührende Auf-
merksamkeit zu widmen, alles unter der Strafe der Todsünde.
Aber diese Notwendigkeit erheischt nur eine vernünftige Neigung,
sich belehren zu lassen, und verpflichtet nach den gelehrtesten
Kirchenlehrern nicht unbedingt zur Zustimmung.
2? 25ff ^^öniz Ermahnung an die Deutschen").
Ich mutz bekennen, es sei leider dahin kommend, daß man
vielleicht, weil 2) Teutschland stehet, nie darin unteutscher und
ungereimter geredet. Ich rufe zu Zeugen an, was uns die
halbjährigen Messen hervorbringen; darin ist oft alles auf eine
so erbärmliche Weise durcheinandergeworfen, daß manche sogar
nicht einmal zu erwägen scheinen, was sie schreiben. Wollte
Gott, es wäre jedesmal unter zehn solcher fliegenden Papiere
eines, so ein Fremder ohne Lachen, ein Patriot ohne Zorn
lesen könne! Ich kenne vornehme Franzosen, denen ihre Ge-
schäfte und Reisen Gelegenheit und Lust gemacht, unsere Sprache
zu verstehen, und denen ich nachsagen kann, daß sie weder aus
Bewegung noch aus Ekel, sondern aus bloßer Verwunderung
über unser ungereimtes Wesen mit verächtlichen Worten hervor-
gebrochen um so viel desto mehr, da sie auf mein Anzeigen
hin gesehen, daß es uns an guten Meistern nicht mangle, deren
herrlicher Schriften sich keine Nation zu schämen hätte. Daraus
sie dann unverhohlen gegen mich geschlossen, sie sähen wohl,
1) Nach dem vorigen ergänzt.
2) solange.
3) gescholten haben.