Full text: Belehrungen über wirtschaftliche und gesellschaftliche Fragen

1. Die seßhafte Kultur und die Nomaden im Morgenland. 
Überall läßt uns die Welt die Abhängigkeit der menschlichen Bildungs¬ 
anfänge von den Begünstigungen der Kultur erkennen. Zwischen Pang-tse-kiang 
und Hoangho, in den Niederungen am Zndu's und Ganges, in der Ebene 
zwischen Euphrat und Tigris, im Nilthal liegen die Pflanzstätten uralter 
Kulturen. Befruchtet durch regelmäßige Überschwemmungen, in deren Bändi¬ 
gung und Ausnutzung sich zum erstenmale die Arbeitskräfte der Menschen 
zu gemeinsamen Werken sorgfältiger Wasserbaukunst verbanden, boten diese 
Stromländer in üppiger Fülle die vegetabilischen Nahrungsmittel, die in dem 
milden, alle Bedürfnisse vereinfachenden Klima dem Unterhalte genügten. 
Weit über hundertfachen Ertrag gab der Reis in China und Indien; über¬ 
reich war die Fruchtmenge der Dattelpalme in Mesopotamien und Ägypten; 
den vollen Wuchs des Weizens und der Gerste in der babylonischen Ebene 
preist Herodot; wie groß die Hirse dort gedeihe, will er verschweigen, um 
nicht unglaubwürdig zu erscheinen. Solche Fülle nahrhafter Naturerzeug¬ 
nisse, denen jedes Land noch seine besondere, der Kultur in anderer Weise 
förderliche Gabe hinzufügte, gestattete diesen Ländern eine Dichtigkeit seßhafter 
Bevölkerung, die frühzeitig zu vielgegliederter Durchbildung der gesellschaft¬ 
lichen Verhältnisse geführt hat. 
Die Berichte der Alten und die Betrachtung der wieder aufgefundenen 
Denkmäler überzeugen uns gleichmäßig, wie zeitig die hier beginnenden 
Kulturen zu jener Vollständigkeit in der Ausschmückung und Ordnung der 
Lebensumgebungen gekommen sind, die wir zuweilen für ein Vorrecht der 
erleuchteten Gegenwart halten. Von dein Dunkel, das tu unserer Vorstellung 
die graue Vorzeit zu bedecken pflegt, muß in ihr selbst nicht viel bemerklich 
gewesen sein; sie war laut und bunt, und die Äußerlichkeiten der Bildung 
waren an vielen Orten so vollständig entwickelt, wie sie nur irgend in Zeiten 
sein können, die sich selbst erst als völlig erwacht im Gegensatz zu dem 
Schlaswandel der Vergangenheit vorkommen. Zum Teil in große, volkreiche 
Wendt, deutsches Lesebuch III. 1
	        
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