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Vierzehntes Kapitel.
2. ferner Gleichstellung aller vor dem Gesetz, Gleich¬
besteuerung aller Staatsbürger.
3. Er hob die Leibeigenschaft auf.
4. Durch das Toieranzedikt (1781) gab er den Protestanten
und nichtunierten Griechen freie Religionsübung und politische
Gleichberechtigung mit den Katholiken; die Israeliten werden
privatrechtlich gleichgestellt. Sekten und Freimaurer aber läfst
er scharf überwachen.
5. Der Kaiser will die geistlichen Orden von der Verbin¬
dung mit den auswärtigen Oberen lösen, den Klerus der Staats¬
aufsicht unterordnen; er hebt viele Klöster auf.
6. Er fördert das Schulwesen: Schulzwang. In den Uni¬
versitäten fördert er nur die dem staatlichen Leben direkt zu¬
gewandten Fakultäten, die philosophischen beschränkt er (Friedr
Wilh. I.) V
7. Er hebt Industrie, Handel, als Physiokrat auch den
Ackerbau.
8. Besonders der Musik zugethan, schuf er, Mozart unter¬
stützend, die deutsche Oper; 1787 bringt er „Fiesko“ zur Auf¬
führung.
9. Ein „Schätzer der Menschheit“, wie er sich nannte, schaffte
er die steife spanische Hofetikette ab, erging sich gern in heiterer,
zwangloser Geselligkeit, lebte wie ein kunsteifriger, schlichter Edel¬
mann, begegnete jedermann wohlwollend und freundlich, öffnete
den Wienern den Prater. Die Zensur beschränkte er, Eettungs-,
Taubstummeninstitute, Waisen-, Irrenhäuser liefs er einrichten.
Nicht verstanden und auch mit Undank belohnt von den
Klassen, denen zu Liebe er das meiste anbahnte, bekämpft und
verleumdet von allen, deren Vorrechten er nahetrat, von Aufständen
umringt, starb Joseph II 1790 frühzeitig infolge seines Übereifers
und seiner Kümmernisse. „Ich sterbe,“ rief er aus, als er ver¬
nahm, dafs sogar die Bauern sich gegen ihn hatten aufreizen lassen,
„ich müfste von Holz sein, wenn ich nicht stürbe.“ Später würdigte
man seine Bedeutung. Das ihm in Wien errichtete eherne Denk¬
mal trägt die Worte: Josepho secundo, qui saluti publicae vixit
non diu, sed totus.
E. Preufsen 1786.
So grofs nun auch unter Friedrich d. Gr. Preufsens Macht¬
stellung war, so durfte man doch nicht verkennen, dafs sie bei
der zerrissenen Lage der Provinzen, der natürlichen Schwäche seiner
Mittel (6 Mill. Einwohner gegen 27 in Frankreich, 22 in Öster¬
reich u. s. w.), der ungeheuren Militärlast, nur dann erhalten werden