Full text: Belehrungen über wirtschaftliche und gesellschaftliche Fragen

Rom. 
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unter dem Marktpreis durch die Regierung oder einzelne Beamte 
sind der Keim der späteren Getreidegesetze geworden. Aber auch 
wenn das überseeische Korn nicht auf diesem aufserordentlichen 
Wege an die Konsumenten gelangte, drückte es auf den italischen 
Ackerbau. Nicht blofs wurden die Getreidemassen, die der Staat 
an die Zehntpächter losschlug, ohne Zweifel in der Regel von 
diesen so billig erworben, dafs sie beim Wiederverkauf unter dem 
Produktionspreis weggegeben werden konnten; sondern wahrschein¬ 
lich war auch in den Provinzen, namentlich in Sizilien, teils in¬ 
folge der günstigen Bodenverhältnisse, teils der ausgedehnten 
Grofs- und Sklavenwirtschaft nach karthagischem System (S. 490), 
der Produktionspreis überhaupt beträchtlich niedriger als in Italien, 
der Transport aber des sizilischen und sardinischen Getreides nach 
Latium wenigstens ebenso billig, wenn nicht billiger wie der 
Transport dahin aus Etrurien, Campanien oder gar Norditalien. 
Es mufste also schon im natürlichen Laufe der Dinge das über¬ 
seeische Korn nach der Halbinsel strömen und das dort erzeugte 
im Preise herabdrücken. Unter diesen durch die leidige Sklaven¬ 
wirtschaft unnatürlich verschobenen Verhältnissen wäre es viel¬ 
leicht gerechtfertigt gewesen zu Gunsten des italischen Getreides 
auf das überseeische einen Schutzzoll zu legen; aber es scheint 
vielmehr das umgekehrte geschehen und zu Gunsten der Einfuhr 
des überseeischen Korns nach Italien in den Provinzen ein 
Prohibitivsystem in Anwendung gebracht zu sein — denn wenn 
die Ausfuhr einer Quantität Getreide aus Sizilien den Rhodiern 
als besondere Vergünstigung gestattet ward, so mufs wohl der 
Regel nach die Kornausfuhr aus den Provinzen nur nach Italien 
hin frei gewesen, und also das überseeische Korn für das Mutter¬ 
land monopolisiert worden sein. Die Wirkungen dieser Wirt- italische 
schaft liegen deutlich vor. Ein Jahr aufserordentlicher Fruchtbar- Korup e 
keit wie 504, wo man in der Hauptstadt für 6 römische Modii 250 
(= l preufs. Scheffel) Spelt nicht mehr als 3/5 Denar (4 Gr.) 
zahlte und zu demselben Preise 180 römische Piund (zu 22 Lot 
preufsisch) trockene Feigen, 60 Pfund Öl, 72 Pfund Fleisch und 
6 Congii (= 17 preufs. Quart) Wein verkauft wurden, kommt 
freilich eben seiner Aufserordentlichkeit wegen wenig in Betracht; 
aber bestimmter sprechen andere Thatsachen. Schon zu Catos 
Zeit heifst Sizilien die Kornkammer Roms. In fruchtbaren Jahren 
wurde in. den italischen Häfen das sizilische und sardinische Korn 
um die Fracht losgeschlagen. In den reichsten Kornlandschaften 
der Halbinsel, in der heutigen Romagna und Lombardei, zahlte 
man zu Polybios Zeit für Kost und Nachtquartier im Wirtshaus 
durchschnittlich den Tag einen halben As (% Gr.); der preufsische 
Scheffel Weizen galt hier einen halben Denar (3Y2 Gr.). Der
	        
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