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kind.“ — „Ach, nein,“ sagte der Bauer, „ein Glückskind bin ich nicht;
ich bin nur ein armer Kriegsmann, der sich nicht mehr nähren konnte;
deshalb hing ich den Kriegsrock an den Nagel und baute das Land.
Ich habe noch einen Bruder, der ist reich und Euch, Herr König,
wohl bekannt; ich aber habe nichts und bin von aller Welt ver—
gessen.“
Da empfand der König Mitleid mit ihm und sprach: „Deiner
Armut sollst du überhoben sein und so von mir beschenkt werden, daß
du wohl deinem Bruder gleichkommst.“ Da schenkte er ihm viele
Acker, Wiesen und Herden und machte ihn steinreich, so daß des an—
deren Bruders Reichtum damit gar nicht verglichen werden konnte.
Als dieser hörte, was sein Bruder mit einer einzigen Rübe er—
worben hatte, beneidete er ihn und sann hin und her, wie er sich
auch ein solches Glück zuwenden könne. Er wollte es aber noch viel
gescheiter anfangen, nahm sechs außerordentlich schöne Pferde und
brachte sie dem Könige. Er meinte nichts anderes, als der würde
ihm ein viel größeres Gegengeschenk machen; denn hatte sein Bruder
so viel für eine Rübe bekommen, was würde ihm für so schöne Pferde
nicht alles werden!
Der König lobte die Pferde über die Maßen und schien außer—
ordentlich vergnügt über das Geschenk. „Aber,“ sprach er, „was für
einen Dank soll ich Euch für ein so treffliches Geschenk erweisen? Ich
habe nichts in meiner Gewalt, das an Seltenheit und wunderbarer
Art diesen edlen Geschöpfen gleichkäme. Doch halt!“ rief er plötzlich
und winkte einem seiner Diener, „laß die große Rübe bringen; denn
ich wüßte nichts, was seltener und außerordentlicher wäre; die will
ich Euch schenken.“ Also mußte der Reiche seines Bruders Rübe auf
seinen Wagen legen und nach Hause fahren lassen.
139. Die Mäuse.
Die Mäuse bevölkern Haus und Hof, Scheuer und Stall, Garten
und Feld, Wiese und Wald. Nur die wenigsten leben einzeln oder
paarweise, die meisten lieben die Geselligkeit; manche Arten vermehren
sich zuweilen so stark, daß sie in ungeheuren Scharen auftreten.
Die Mäuse sind in jeder Weise geeignet, den Menschen zu plagen
und zu quälen. Alle ihre Eigenschaften scheinen sie besonders hierzu
zu befähigen. Sie sind gewandt und behend in ihren Bewegungen,
können vortrefflich laufen, springen, klettern, schwimmen; sie verstehen
es, sich durch die engsten Offnungen zu zwängen oder, wenn sie keine