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Jedes Volk, das aus frühen Keimen seiner Entwicklung
zu Zeiten höchster Kultur aufsteigt, durchläuft eine Anzahl Einige
von Kulturzeitaltern. Diese Kulturzeitalter folgen immer inÄg|i(^r
der gleichen Reihenfolge aufeinander; sie erscheinen durch e Jjjg;
einen Entwicklungstrieb, der immer denselben Verlauf nimmt,
miteinander verbunden. Dieser Entwicklungstrieb führt von wickiungs-
einer ursprünglich sehr wenig gegliederten und geteilten Kultur
in steigendem Maße zu Erscheinungen, die eine immer stärkere
Gliederung aufweisen: das Seelenleben des Volkes wird
zunehmend reicher, von seinem stets verzweigteren Verlaufe
tritt immer mehr ins Bewußtsein^ mit steigender Kultur
wachsen Selbsterkenntnis, Selbsterziehung, Gefühl der mensch¬
lichen 2Bürde.
Von den deutschen Kulturzeitaltern kennen wir vornehm¬
lich drei, die wir als Neuzeit, Mittelalter und Urzeit zu be¬
zeichnen pflegen (von x bis zirka 500 n. Chr., von 500 bis
etwa 1450, und von 1450 bis zur Gegenwart). Von der
Urzeit ist uns aber nur der Ausgang genauer bekannt. Ihre
früheren Teile und die noch vor der Urzeit liegenden Kultur-
zeitalter kennen wir nur aus spärlichen Resten der Über¬
lieferung in Grabfunden u. dgl. Man pflegt die sich unab¬
sehbar rückwärts dehnenden Jahrhunderte dieser Zeitalter als
Vorgeschichte zu Bezeichnen. Als Geschichte im engeren Sinne
des Wortes erscheint dann die Zeit, aus der wir eine schrift¬
liche Überlieferung besitzen. Diese Zeit stellt sich bei den
meisten Völkern erst mit Abschluß der Urzeit oder bei
Beginn des Mittelalters ein: so spät entwickeln sie die
Fähigkeit eigener, übrigens anfangs auf ganz wenige Gegen¬
stände begrenzter Mitteilung in, den leisen. Anfängen von
Bilderschrift und verwandten Schriftformen. Bei den Ger¬
manen sind Bilderschriften ausgedehnter Art aus späterer
Zeit in Skandinavien erhalten; die Südgermanen, die späteren
Deutschen, erhielten früh (um 250) vom Römischen Reiche her
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