60
Knechtschaft und Befreiung. 1807—1815.
Unsere neuen Gesetzgeber haben an die Stelle des alten Deut¬
schen Reiches mit einem Haupte, gesetzgebender Versammlung, Ge¬
richtshöfen, einer innern Einrichtung die ein Ganzes bildete — einen
Deutschen Bund gesetzt, ohne Hanpt, ohne Gerichtshöfe, schwach
verbunden für die gemeine Vertheidigung. Die Rechte der Einzelnen
>ind durch nichts gesichert als die unbestimmte Erklärung, „daß es Land¬
stände geben solle"; ohne daß etwas über deren Befugnisse festgestellt ist
(Art. 13); und durch eine Reihe Grundsätze (Art. 18) über die Rechte jedes
Deutschen, worunter man die Habeas corpus,“) die Abschaffung der
Leibeigenschaft ausgelassen hat, und welche durch keine schützende Ein¬
richtung verbürgt werden.
Die Bildung des Bundestages, mag er als Bundesversammlung oder
als Plenum handeln, gestattet nur schwer eine für alle verbindliche Hand¬
lung, da die Fälle welche Einstimmigkeit erheischen, so zahlreich und so
unbestimmt ausgedrückt sind. Sie wird erfordert jedesmal, wo es sich
darum handelt
a) Grundgesetze zu geben oder zu verändern,
b) organische Bundes-Einrichtungen zu schaffen,
c) über Rechte Einzelner zu beschließen,
d) oder über Gegenstände der Religion.
Das Recht der Bündnisse einzelner Staaten mit Fremden wird allein
durch die Verpflichtung beschränkt, keine Verbindungen einzugehen, welche
gegen den Bnnd oder eins seiner Glieder gerichtet sind (Art. 11). — Der
Deutsche wird also sein Blut vergießen für seinem Lande fremde Streitig¬
keiten, wenn sein Fürst sich mit Frankreich oder England gegen eine
andere Stacht verbündet — er wird sogar verpflichtet seyn, seinen Lands¬
mann zu bekämpfen, wenn dessen Fürst sich mit dem Gegner ver¬
bunden hat. *
Von einer so fehlerhaften Verfassung läßt sich nur ein sehr schwacher
Einfluß aus das öffentliche Glück Deutschlands erwarten, und man muß
hoffen, daß die despotischen Grundsätze, von denen mehrere Eabinette sich
noch nicht losmachen können, nach und nach durch die öffentliche Meinung,
die Freiheit der Presse und das Beispiel zerstört werden welches mehrere
Fürsten besonders Preußen geben zu wollen scheinen, indem sie ihren
Unterthanen eine weise und wohlthätige Verfassung ertheilen?) . . .
1) Gemeint ist die Proklamation des Fürsten Kutusow, Kalisch 25. März 1813.
®ort hieß es: „Hiermit ist zugleich das Verhältniß ausgesprochen, in welchem Se.
Majestät der Kaiser aller Reußen zum wiedergeborenen Deutschland und zu seiner
Verfassung stehen wollen. Es kann dies, da sie den fremden Einfluß vernichtet zu
sehen wünschen, kein anderes sein, als eine schützende Hand über ein Werk zu halten,