Full text: Die neue Zeit (Theil 3)

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Nun war des Studireus kein Ende, denn er wollte seiner neuen Würde 
auch Ehre machen und suchte mit emsigem Fleiße das nachzuholen, was er 
in seiner Jugend nicht hatte lernen können. 
Ein Vorfall gab indeß seinem Geiste plötzlich eine ganz neue Rich¬ 
tung. Ein Dominikanermönch, Namens Johann Tetzel, reiste damals 
in ganz Deutschland herum, Ablaßzettel zu verkaufen, und kam bis Jüter- 
bogk, vier Meilen von Wittenberg. Die Kirche hat schon seit den ältesten 
Zeiten das Recht geübt, den Christen für ihre Sünden eine Buße auf¬ 
zulegen, auch, wenn sie sich reuig und bußfertig zeigten, ihnen die Strafe 
abzukürzen. Daraus entstand aber im Volke der Aberglaube, die Priester 
könnten die Sünden vergeben und den Sünder von der ewigen Strafe, 
von den Leiden im Fegefeuer lossprechen. Solches benutzten die Päpste 
und schickten Ablaßverkäufer in's Land, die für Geld den Leuten Abla߬ 
zettel verkauften, die den Leuten sehr willkommen waren, da sie sich nun 
wegen ihrer Sünden beruhigt fühlten. Wer z. B. die Erlaubniß haben 
wollte, in der Fastenzeit Butter und Käse zu essen, der kaufte sich für 
einen Groschen solch' einen Zettel. 
Damals war Leo X. Papst, ein vergnügungssüchtiger, prachtliebender 
Mann, der viel Geld brauchte. Besonders erforderte der Bau der Peters¬ 
kirche ungeheure Geldsummen, und um diese zu erhalten, wurde ein all¬ 
gemeiner Ablaß ausgeschrieben. Unter den Ablaßverkäufern, die in Deutsch¬ 
land umherzogen, war aber keiner unverschämter, als eben jener Tetzel, ein 
nichtswürdiger Mensch, den das erbitterte Volk schon einmal hatte ertränken 
wollen. Dieser setzte jetzt eine Menge von Ablaßzetteln ab. Wenn er nach 
einer Stadt kam, so hielt er immer einen feierlichen Einzug, damit das 
Volk recht zusammenlaufen sollte. Die päpstliche Bulle, worin der Ablaß 
verkündigt war, wurde auf einem sammetnen Kissen vorangetragen; die 
Priester und Mönche, der Magistrat und die Schulen zogen ihm mit Ker¬ 
zen und Fahnen entgegen und holten ihn ein; alle Glocken läuteten, man 
begleitete ihn in die Kirche, wo er des Papstes Panier, mit einem rothen Kreuze 
geziert, aufrichtete, und nun begann der Handel. Er hatte zwei Kasten 
bei sich; in dem einen waren die Zettel, in dem andern das Geld, und er 
pflegte wohl zu rufen: „Sobald das Geld im Kasten klingt, die Seele aus 
dem Fegfeuer in den Himmel springt!" Es waren Ablaßbriefe für alle 
Vergehen zu haben, für Diebstahl, Meineid, Gewaltthat, Mord. In 
Jüterbogk ward aber Tetzel mit eigener Münze bezahlt. Ein Ritter meldete 
sich, der einen Ablaß begehrte, weil er Jemand auf der Landstraße zu be¬ 
rauben vorhabe; — denn man konnte auch für Sünden, die erst in der 
Zukunft begangen werden sollten, einen Ablaßzettel erhalten. ,,(£t", sagte 
Tetzel, „solchen Zettel mußt du theuer bezahlen!" Der Preis wurde ihm 
gern gezahlt, und der Ablaßkrämer fuhr mit seinem schweren Geldkasten 
ab. Als Tetzel in einen Wald kommt, sprengt plötzlich ein Ritter mit 
mehreren Knechten auf ihn ein, hält den Wagen an und nimmt den vollen 
Geldkasten in Besitz. Tetzel verflucht den Räuber in den Abgrund der 
Hölle, doch dieser zeigt ihm lächelnd den Ablaßzettel mit den Worten:
	        
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