126 Hauptereignisse vom Westfälischen Frieden bis zur Gegenwart. § 78.
2 Die Türkenkriegc. Glücklicher war der Kaiser in den Kriegen
gegen die Türken. Mit 200000 Mann zog der Türke im Jahre 1683
gegen Wien. Zwei Monate war die Stadt eingeschlossen. Das Schicksal
Europas, die Selbständigkeit Deutschlands lagen in den Mauern Wiens.
Ein Wald von Zelten zog sich vom Ufer der Donau um die Stadt bis
wieder zum Ufer. Die große Gefahr traf in Wien auf ein Geschlecht von
starken Herzen. Bürger, Handwerker, Studenten wetteiferten an Tapfer-
keit. Wenn die große Glocke vom Stephansdome ertönte, eilte jeder auf
seinen Posten, um die Stürme der Türken abzuschlagen. Graf Rüdiger
von Starhemberg befehligte die tapfere Schar. Er zeigte sich nnbeug-
sam gegen den mächtigen Feind, unbeugsam wie der Stahl seiner Heimat
Steiermark. Bischof Kolouitsch sorgte für die Pflege der Verwundeten ;
er öffnete die Börsen der Reichen zur Linderung der Not der Armen. Da
griff ein neuer Feind die heldenmütigen Wiener an. Ansteckende Krank-
Herten töteten mehr als die Waffen der Feinde. In der Stunde der
höchsten Not erschien der Polenkönig Johann Sobieski mit einem
Entsatzheere. Ein furchtbarer Kampf entspann sich. Die Türken flohen.
Unermeßliche Beute fiel in die Hände der Sieger. Es war ein großer
Tag im Leben der europäischen Völker, ein Sieg so groß wie der Sieg
des Aetins über Attila, Karl Martells über die Araber, Ottos des Großen
über die Ungarn. Das christliche Europa jauchzte auf vor Freude über
diesen Erfolg. Nur Ludwig XIV. von Frankreich grollte. Sein Plan
war vereitelt. Er hatte im geheimen die Türken gegen Wien gehetzt in
der Hoffnung, sie würden siegen, und das von den Türken zertretene
Deutschland würde ihn dann als Retter in der Not anrufen und ihm die
Kaiserkrone anbieten.
3. Prinz Engen. Unter den Fremden von edlem Namen, die herbei-
geeilt waren, ihren Arm der Sache des Kaisers und der Christenheit gegen
die Türken zu leihen, befand sich auch ein neunzehnjähriger Jüngling, klein
und unansehnlich von Gestalt. Seine braune Hautfarbe erinnerte an italienische
Abkunft, das lebhafte, feurige Auge ließ auf tiefes geistiges Leben schließen.
Es war Prinz Engen von Savoyen, bestimmt, später als einer der
größten Feldherren und edelsten Manner in der Geschichte .zu glänzen,
dem türkischen Reiche sowie Ludwig XIV. die schwersten Schläge beizubringen
und Österreich zu einer Großmacht zu erheben.
Geboren zu Paris als Sohn des Grafen von Soissons und der
Italienerin Olympia Mancini, hatte Eugen schon in früher Jugend
Neigung zum Soldatenstande gezeigt. Ludwig XIV. aber schlug ihm die
Bitte um Aufnahme in das Heer wegen seiner unansehnlichen Gestalt ab.
Eugen verließ Frankreich und ging zum Kaiser nach Wien. Dort fand
er die huldvollste Aufnahme. Er wurde der leitende Geist der folgenden
1) Vgl. Vogl, I. N,: Die Sieger.