Full text: Kulturbilder aus Deutschlands Vergangenheit

160 
19. Volksbelustigungen int Mittelalter. 
Fastnachts¬ 
spiele. 
selbst, für Gattin unb Kmber, für bie Berwanbtschast unb selbst 
für bie Zunft, ber er angehörte, bie höchste Ehre unb Freube. 
Die besten Gebichte mürben in ein großes Buch geschrieben unb 
von bem Schlüsselmeister sorgfältig aufbewahrt. 
Ehrbar, sittlich, streng unb fromm übten biefe Meister ihre 
Kunst, unb Jahrhuuberte lang bauerte bie Übung bes Meister¬ 
gesanges. Im 16. Jahrhuubert war er am lebenbigften; Hans 
Sachs, ein Zeitgenosse Luthers, Schuhmacher zu Nürnberg, 
hat mehr als 5000 Gebichte hinterlassen. In bieser Stabt 
würbe um bas Jahr 1770 bie letzte Singschnle gehalten, währenb in 
Ulm bie letzten Meistersänger nach 1830 ihre alten Töne fangen. 
— Eine besonbere Veranlassung zu einer allgemeinen Volks¬ 
belustigung gab stets bie Fastenzeit. Ein Schriftsteller um bas 
Jahr 1500 beschreibt bie)elfte also: „Zur Fastnachtszeit pflegt 
man viel Kurzweil unb Spektakel mit Stechen, Turnieren unb 
Tanzen. Da uerf leiben sich bie Leute, laufen wie Narren unb 
Unsinnige in ber Stabt umher, unb wer bas Närrischste erbentt, 
ber ist Meister. Da sieht man in seltsamer Rüstung unb 
Mummerei bie Frauen in Manneskleibern unb bie Männer in 
weiblichem Gewanbe, unb ist fürwahr Scham, Zucht unb Ehr¬ 
barkeit an biesem christlichen Feste teuer. Auch geschieht viel 
Büberei; alle Bosheit unb Unzucht ist ziemlich an diesem Feste. 
Etliche laufen ohne alle Scham rtacfcnb umher; etliche kriechen 
auf allen Vieren wie bie Tiere. Etliche finb Mönche, anbere 
Könige. Etliche gehen auf hohen Stelzen mit Flügeln unb 
langen Schnäbeln; etliche finb Affen, anbere Bären, noch anbere 
Teufel." — Die Fastnachtsspiele setzten sich sogar bis in bie Kirche 
fort; eigene, närrische Fastnachtsprebigten würben gehalten. Über¬ 
haupt bienten bie kirchlichen Feste bem Volke stets als Tage ber 
Freube, unb bavon hatte man im Mittesalter eine stattliche 
Reihe im Jahre. Die ben sinnlichen Genüssen sehr ergebene 
Gesinnung bes Lanbvolks sowohl, wie ber Stübter gab all ben 
kirchlichen Festtagen ein buntes, lärmenbes Gepräge bitrch Pro¬ 
zessionen, Schmausereien, Gesänge, Tanze unb Spiele. Sehr 
oft würben an solchen Tagen Spiele ausgeführt, welche biblische 
Darstellungen zum Gegeustanb hatten, wie bie Enthauptung
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.