Full text: Kulturbilder aus Deutschlands Vergangenheit

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35. Die Bauern des 18. Jahrhunderts. 
Gegenwart dringend erfordert; wenn er ein Prnnkgebände aus¬ 
führen helfen muß, indes seine Hütte verfällt; wenn er wegen 
einer Kleinigkeit als Bote ausgeschickt wird, während vielleicht 
seine sterbende Mutter uach ihm verlangt; wenn er aus dem Fron¬ 
hose weilen muß, indes vielleicht sein Haus niederbrennt? — 
Dazu hatte der Bauer unendlich viel durch das Wild zu leiden, 
das ihm seine Äcker beschädigte, und das er nicht einmal an¬ 
rühren durfte. Herdenweise siel es in die Äcker und Weinberge, 
die zu verwahren den Eigentümern streng verboten war, und zer¬ 
störte oft in einer Nacht die Arbeit eines ganzen Jahres. Jede 
Art von Selbsthilfe dagegen wurde mit Feftnngs- und Zucht¬ 
hausstrafe bedroht. Ja die Bauern mußten selbst mithelfen, um 
das Wild zu schützen und zu pflegen. Sie mußten oft Tausende 
von Jagdhunden auf ihren Höfen unterhalten, mußten wochen¬ 
lang mitten in den dringendsten Feldgeschäften bei den Treib¬ 
jagden thätig sein, die nicht selten durch blühende Felder und 
reisende Saaten führten. Wurde einmal, was nicht selten ge¬ 
schah, eine „Wafferjagd" auf dem Gebirge angestellt, so mußten 
die Bauern an manchen Orten dazu Vertiesuugeu graben, Wasser 
aus deu Thälern herbeischleppen und so einen künstlichen See 
zu stände bringen. 
Gcrichtsbar- Der Edelmann war noch immer Gerichtsherr des leibeigenen 
ei Bauern. Als solcher verfügte er die Strafen für kleinere Ver¬ 
gehen , die vielfach in Stockprügel bestanden. Die Kinder der 
hörigen Bauern mußten nach wie vor zuerst der Gutsherrschast 
zum Dienst angeboten werden. Wegziehen oder Verheiraten in 
ein anderes Gut hinein war nicht erlaubt. Wer sich von seiner 
Leibeigenschaft oder Hörigkeit frei machen wollte, mußte eilte be¬ 
stimmte Summe zahlen, die meistens zwischen 20 und 50 Thalern 
betrug. 
Alle diese Verhältnisse waren am drückendsten im Osten 
Deutschlands, in Pommern, Schlesien, Mecklenburg. Man sieht, 
daß mit dem Ende des vorigen Jahrhunderts die alte Hörigkeit 
und Erbunterthänigkeit durchaus uoch nicht verschwunden, sondern 
noch ein gutes Stück der Leibeigeuschaft übrig war. Viele edel¬ 
denkende Fürsten hatten sich bemüht, die unfreie Lage Der Bauern
	        
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