11. Die Bedeutung der Kreuzzüge.
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hätten. Da blieb die ganze große Bewegung nicht Eigentum
eines einzelnen Volkes, sondern teilte sich dem ganzen Abend¬
lande mit. Ein Band der Zusammengehörigkeit umschlang die
christlichen Nationen; zu einem hohen Streben reichten sich alle
die Hand. Die Herzen der Einzelnen wurden abgezogen von
selbstsüchtigen Zwecken und aus ein hohes, allgemeines Ziel gerichtet.
Oft hatte „der kleine Mann" durch die Gewaltthat der reisigen
Dienstmannen zu leiden gehabt; viele große Herren saßen über
ihm, die ihn drückten. Dabei war immer einer dem andern ver¬
feindet, die Kirche verfeindet dem Kaiser, der Bischof dem Grafen,
der Herzog im Aufruhr gegen seinen König. Alle diese klein¬
lichen Fehden und Zwistigkeiten schwiegen vor dem einen großen
Gedanken: im Dienste des gemeinsamen himmlischen Herrn zn
streiten, und feinem Ruse Folge zu leisten. Wenn auf dem
Zuge durch die Wüsten Kleinasiens die Menschen vor Hunger
und Krankheit niedersanken, dann hielt einer treulich zum andern;
fremde Landsleute, die sich nicht einmal durch Worte verstän¬
digen konnten, halfen einander mit Speise und Trank.
Das Rittertum kam mehr uub mehr zum Bewußtsein seiner
edlen Aufgabe, die Schwachen zu schützen und den Bedrängten
seinen Arm zu leihen. Zugleich brachte der ritterliche Kreuz¬
fahrer, der zur Heimat zurückkehrte, eine freiere Ansicht über
Menschenwürde zurück. Im ersten Krenzznge schnitten Christel:
und Türken einander um die Wette die Köpfe ab; auf den
späteren Fahrten hatte die Achtung, die ein wirklich tapferer
Krieger seinem tapferen Feinde nicht versagen kann, zwischen
Christen und Heiden einen milderen Kriegsgebrauch und einen
ritterlicheren Verkehr geschaffen. Beide Teile hatten Gelegenheit
gehabt, einander bisweilen hohen Sinn und Edelmut zu beweisen.
So lernte der christliche Ritter Duldung und Milde selbst gegen
Nichtchristen, was allerdings nicht gerade nach dem Geschmack
der Kirche war. Dieser echt ritterliche Sinn, der nicht bloß an
der blutigen Vernichtung des nichtchristlichen Feindes Gefallen
fand, sondern den Menschen im Gegner ehrte, bildete das geistige
Band der damals entstandenen geistlichen Ritterorden.
Eine solche veredelnde Wirkung machte sich sogar bei den