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sorgliche Tochter so ein, daß sie abends bei ihm weilte; sie konnte
dann leicht verhindern, daß ihr „Herzenspapachen", wie sie ihn ver¬
traulich nannte, die Thee stunde mit ihrem Geplauder zu lange
ausdehnte, indem sie Kopfschmerzen oder Müdigkeit vorschützte.
Der Kaiser schlief allein; zwei Wachskerzen und eine Öllampe,
deren Schein den in halbsitzender Stellung Ruhenden nicht störte,
erleuchteten das Gemach. Der Schlaf war meist fest, aber durch
lebhafte Traume unterbrochen. Besonders oft träumte der Kaiser,
daß er auf dem Schlachtfelde sei, daß die Truppen zu tollkühn
in das feindliche Feuer gingen und er zu ihnen hinsprengte, um
sie zurückzuhalten. Im Nebenzimmer befand sich der dienst¬
thuende Kammerdiener; aber der greise Monarch nahm dessen
Hilfe säst niemals in Anspruch.
2. Das Jstalenbartum.
Wenn der Kaiser des Morgens in sein Arbeitszimmer trat,
so begab er sich jedesmal zuerst an das Verandafenster, wo eine
Mappe eingerichtet stand, in welche Tag für Tag die Tafeln eines
Eriunerungskalenders gelegt wurden. Dieser war dazu bestimmt, den
Jahrestag wichtiger Vorgänge, Gesetzerlasse, Regierungshandlungen,
Reisen, Unterredungen, Truppenübungen und Besichtigungen,
Familienereignisse, Gnadenerweisungen u. dergl. sowie die Namen
solcher Personen, die für den hochseligen Landesvater ein be¬
sonderes Interesse hatten, in das Gedächtnis zurückzurufen. Jede
Tafel enthielt nur einen Tag des Jahres, obenan ein Bibelspruch,
eiu Sprichwort, eine Stelle ans den Werken berühmter Schrift¬
steller und Dichter aller Völker und Zeiten, gewählt nach dem
Gefühl/ der Anschauung und Handlungsweise des Kaisers, demnach
gleichsam eine Erklärung derselben. In dieses Kalendarium trug
der greife Monarch selbst noch oft Erinnerungen ein, so daß jenes
jetzt mit das zuverlässigste Material für die Geschichte seines Lebens
und seiner Regierung ist. Die Dienerschaft hatte dafür zu sorgen,
daß jeden Morgen die entsprechende Tafel des Tages ausgestellt war.
Z. Besuch des Gottesdienstes.
Die regelmäßige Teilnahme am öffentlichen Gottesdienste war
dem hochfeligen Kaiser ein Herzensbedürfnis und so lange feine
Gesundheit es gestattete, hat er bis in die Jahre seines hohen
Alters an keinem Sonn- und Festtage im Gotteshause gefehlt.
Auch in dieser Beziehung bewährte er seinen Wahlspruch: „ Ich
und mein Hans, wir wollen dem Herrn dienen", und bis an sein
Ende ist er dem von feinem Vater ererbten Grundsatz treu ge¬
blieben, daß „der Sonntag die Woche mache". Auch im Sommer