Full text: Vom Kurhut bis zur Kaiserkrone

Der Vater des Prinzen verfolgte mit regem Interesse und 
väterlicher Freude die militärische Fortbildung seines Sohnes. 
Tie militärischen Studien leitete der Oberst von Unruh, die übrigen 
Lehrer waren Offiziere und Professoren aus Berlin. War es 
auch Absicht des hohen Vaters, seinen Sohn zum wohlgeschulten 
Soldaten zu erziehen, so blieb seine Erziehung doch keine ein¬ 
seitige; denn die geistreiche und hochgebildete Mutter sorgte dafür, 
daß ihrem „Fritz" eine gründliche, wissenschaftliche Bildung und 
Verständnis für alle schönen Künste zu teil wurde. So ergänzten 
sich bei Erziehung des Prinzen beide Richtungen, und der sich 
kräftig entwickelnde Knabe wurde ein glücklicher Erbe des Vaters 
und der Mutter; er ist ein berühmter Feldherr und der Beschützer 
der Kunst und Wissenschaft geworden. Nach der Sitte unseres 
Königshauses mußte der Prinz auch ein Handwerk erlernen. 
Unser Fritz wurde Buchdrucker, und die Jünger Gutenbergs können 
deshalb sagen: „Der Kaiser ist auch einer von uns!" Aber nicht 
allein das Schriftsetzen hat der Kronprinz erlernt, sondern, wie 
einst Friedrich der Große und in neuerer Zeit Prinz Georg von 
Preußen, weiß er neben dem Schwert auch die Feder zu führen, 
wie die Schilderung seiner Orientreise bezeugt. Die deutschen 
Schriftsteller dürfen deshalb vielleicht mit noch mehr Recht als 
die Schriftsetzer sagen: „Kaiser Friedrich, der Förderer deutscher 
Wissenschaft und deutscher Litteratur, ist auch einer von uns!" 
(Aus „Kaiser Friedrich der Gute". Vou I. Ohrem.) 
Bouu. Hauptmanu. 
Des Kronprinzen iUife nach dem Morgenlande. 
1. Die Reise bis nach Konstantinopel. 
Im Juni 1869 war der Khedive von Ägypten in Begleitung 
seines Sohnes Gast des Königs Wilhelm gewesen. In dankbarer 
Erwiderung richtete er an den Kronprinzen eine Einladung zur 
Eröffnung des Suez-Kanals. Der Kronprinz nahm die Einladung 
mit Zustimmung seines Vaters an und empfing von König Wil¬ 
helm den Auftrag, auf der Reise zum Orient einen Besuch am 
Wiener Hose zu machen, um wieder freundnachbarliche Beziehungen 
anzuknüpfen. Dann sollte der Kronprinz auch in Konstantinopel 
deu Besuch des Sultans in Berlin stellvertretend erwidern. Bei 
dieser Gelegenheit wollte der hohe Reisende auch Griechenland 
und das heilige Land besuchen. 
Kaiser Franz Joseph zeigte sich bei dem Besuche des ritter¬ 
lichen Königssohnes als ein edelsinniger, deutscher Fürst, der 
Preußeus Wunsch nach gutem Einvernehmen mit dem Nachbarstaat 
würdigte. Er selbst empfing den Kronprinzen in preußischer
	        
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