Full text: Lesebuch der Erdkunde

556 XVIII. Das Kaisertum Rußland. 
region über den Wäldern im I r e m e l ans der westlichen Kette bis 1536 m aufsteigen, 
nach S. aber sich zn breiten Bergplatten erniedrigen und so in die Steppe absallen. 
Der große Erzreichtum des mittleren Gebirges findet sich auf seinen Vorstufen, 
hauptsächlich auf der Ostseite, wo zahlreiche Quellströme und dichte Waldungen (die iib- 
rigens schon bedenklich gelichtet sind) dem Hüttenbetriebe förderlich entgegenkommen. Hier 
haben schon die jetzt fast untergegangenen Tschuden, finnischen Stammes, Bergbau 
getrieben, wie mau aus ihren verfallenen Gruben, Schürfen und bemoosten Schlacken- 
Halden, und aus dem goldenen Totenschmuck in ihren Grabstätten faud. Dies ist auch 
der allein kolonisierte Teil des ganzen Gebirges, nnd einer der zivilisiertesteu und gewerb- 
reichsten Distrikte Rußlands (im Gouvernement Perm). Der Ural liefert nicht allein 
Steinkohlen (auf der Westseite), souderu auch 2/3 alles russischen Eisens (von ansgezeich- 
neter Qualität), mehr als die Hälfte alles Kupfers, und enthält endlich auf der Ostseite 
in massigen Gesteinen ungemein reiche Erzlager von Gold, Platina (seit 1824), 
Silber; überdies Edelsteine, Smaragde, Topase, Berylle, Diamanten, prächtige Malachite, 
Amethyste, Jaspisse, neuestens anch Bernstein. 
Die Wiederaufnahme des Bergbaus durch fächsische Bergleute stammt vou Peter d. 
Großen: 1752 begann der Bergbau aus Gold in feiner ursprünglichen Lagerstätte (im 
Quarz des Talk- und Ehloritschiefergebirges).^) Später jedoch entdeckte man reiche Gold 
führende Alluvioueu (angeschwemmtes Land) und nuu ist Goldwäscherei die Hauptsache. 
Das große Goldflöz beginnt im N. bei Werchoturie und erstreckt sich 140 M. weit süd- 
lich bis zum Uralfluß. Die größten und reichsten Gruben gehören aber nicht der Krone, 
sondern Privatbesitzern (den Familien Demidow, Beresow, Worouzow, Strogauow 2C.).**) 
Der Mittelpunkt des gesamten Bergbaus ist I e k a t e r i u b u r g, eigentlich schon in Asien, 
259 m hoch, schön gelegen, mit lebhaftem Handel nach Asien; Goldhütten, Edelstein- 
schleifereien, Münze (S. 541). 
An Gold wurden am Ostural von 1860—63 im Mittel in einem Jahr 12334 Pfund 
oder 5057 kg gewonnen, und seit dem Anfange des Bergbaues bis 1869 für 615 Mill. 
Rubel***) Silber weniger, aber Kupfer und Eisen in Menge; jetzt auch Steinkohlen. Eine 
Menge Metallsabriken, Eisenhämmer, Stückgießereieu finden sich namentlich in Nischni- 
Tagilsk (wo auch Malachit vorkommt), Newjansk, I r b i t. Hier wird aus Magneteisen 
mit Holzkohle ganz vorzügliches Eisen zu Stahl erzeugt. 
Der Ural ist von einer Menge der verschiedensten Völker bewohnt. Der w ü st e 
Ural wird nur vou wenigen Samojeden der Fische, der Jagd und des Pelzes wegen 
durchstreift. Sie haben von den Russen außer dem Branutweiu, der sie ausreibt, fast 
nichts angenommen, und leben noch ihren altheidnischen Sitten getreu. Klein, gelbbraun, 
mit deu häßlichen Mougolenzügen, schmutzig, in zottige Pelze vermummt, sind sie die 
äußerste Grenze der Menschheit in Europa. Mit Gier verzehren sie das so eben ge- 
schlachtete Renntier, die noch warmen Stücke in das ranchende Blut getaucht, so daß sie 
eher Raubtieren als Menschen gleich sehen; sie opfern auch ihren Götzen Renntiere. 
Trunksüchtig und unter einander zwar gastfrei, aber streitsüchtig, bleiben sie gegen Fremde 
stumpf und gleichgiltig in ihrem Zelte. Doch gelten sie für redlich, bedürfnisarm und 
wenig begehrlich, sind aber verkümmert, zu schwereren Verrichtuugeu uusähig und glücklich 
im Müssiggang. 
Der mittlere Ural hat an seiner Westseite bewaldetes Hügelland mit schönen 
Flußthäleru uud fruchtbaren Kulturlandschaften, die von den finnischen Syrjänen be- 
wohnt siud, einem verständigen Ackerbau- uud Jägervolke von redlichem Charakter, das 
schon sehr russifiziert ist, und bereits in Städten zu Kassierern, Beamten ?c. avanciert. 
Südlich von ihnen nomadisieren die Wogulen mit Reuntierherden in den grasreichen 
Flußsteppen, leben aber auch von Jagd und Fischerei. — Auf diese Nordischen Finnen 
folgen die Wolgasinnen, wie die Wotjaken, bereits in festen Ackerbausitzen mit Vieh- 
Zucht. Westlich von ihnen gegen Kasan ist das treffliche Hügelland von den T s ch e r e- 
*) Der größte der im Ural gefundenen Goldklumpen wog 36 kg, der größte Platinaklnmpen aber 379 kg. 
**) Der russische Adel besitzt in kolossalem Grundbesitz, Herden, Bergwerken und Fabriken, ungeheure 
Reichtümer. 
***) Nächst den Vereinigten Staaten (Kalifornien) und Australien, deren Golderzeugnis vom Jahr 
1851—1880 278 800 und 258100 kg erreicht hat, lieferte Rußland das meiste Gold der Welt, nämlich in dem 
gleichen Zeitraum 126 097 kg; 1879 betrug das in ganz Rußland gewonnene Gold 43 096 kg, wovon 10 251 kg 
im Ural.
	        
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