Full text: [H. 3, Teil 1] (H. 3, Teil 1)

Erzählungen. 
Das Testament eines deutschen Königs. 
Ls war Spätherbst. Klar und rein strahlte die Sonne vorn 
tiefblauen Himmel herab. Bäume und Büsche waren bis auf einige 
welke Blätter ihres Schmuckes beraubt. Ein warmer Südwind 
strich über das Land und lockte die Leute ins Freie. Auch in der 
weilburg, der königlichen Pfalz, die einst stolz auf einem steilen 
Berge am Ufer der Lahn sich erhob, war man ob des schönen 
Vetters recht erfreut. Die Mittagsstunde war vorüber; auf der 
Freitreppe vor dem Herrenhaus erschienen zwei Diener mit Fellen 
und Teppichen und hinter ihnen folgten noch vier Diener; sie trugen 
in einer Sänfte einen Kranken heraus. An der Steinbank vor 
der Linde hielten sie an. Die zwei ersten Diener breiteten die Tep¬ 
piche auf die Bank und die Felle auf die Erde, die andern halfen 
dem Kranken aus der Sänfte und setzten ihn auf die Bank doch so, 
daß sich der Kranke an den Lindenstamm anlehnen und das rechte 
Bein ausgestreckt lassen konnte. Die Sänfte wurde zurückgestellt 
und die Diener verließen ihren Herrn, nur ein alter, bärtiger ITC amt 
blieb bei dem Kranken zurück. 
Der Kranke war König Konrad — er hatte am rechten Bein 
eine wunde und die wollte nicht heilen. Monate waren schon seit 
jenem Tage vergangen, an dem er durch einen Schwertschlag ver- 
J- mundet ward. (Es geschah bei der Belagerung von Regensburg. 
Am Hofe weilte Marzellus, der Mönch von St. Gallen, er brachte 
alle seine Heilkünste in Anwendung. Auch heute ging er nach dem 
Mittagsmahl in die Küche, um eine Salbe aus Kümmel, Salbei, 
Fenchel und Bockshorn zu bereiten. 
Der König unter der Linde atmete leicht im warmen Sonnen¬ 
schein, aber sein Herz bedrückten schwere Sorgen: Seit sieben fahren 
König und jedes Jahr Krieg und Kampf, auch jetzt noch keine Aus¬ 
sicht auf Frieden. Herzog Arnulf herrscht über Bayern und will 
11 nichts wissen von einem Herrn über sich. )n Schwaben zieht Graf 
10 Burchard von (Drt zu Drt, sammelt die Unzufriedenen um feine 
Fahne und bereichert sich mit Burgen und Schlössern. Heinrich, 
■& der Herzog von Sachsen, steht unbesiegt da. Seine Macht ist dem 
König ein Dorn im Auge und doch vermag er nichts gegen ihn. 
Und die letzte Nachricht, die ihm feine Boten brachten, war die:
	        
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